Fragwürdige Vergaben bei IT-Bundesamt

SICHERHEIT Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik vergibt mehr als 100 Aufträge ohne Ausschreibung. Der Rechnungshof rügt die Praxis, das BSI rechtfertigt sich mit „politischem Erfolgsdruck“

„Steuergelder in kaum vorstellbarer Höhe wurden verplempert“

JAN KORTE, LINKSPARTEI

BONN taz | Wie jetzt bekannt wird, hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) über mehrere Jahre hinweg einen Großteil seiner Studien und Entwicklungsvorhaben ohne hinreichende Begründung freihändig vergeben. Dabei lag den meisten Vergaben nur ein einziges Angebot zugrunde.

Die Praxis der Behörde fiel auf, weil der Bundesrechnungshof die Vergabepraxis des BSI in den Jahren 2005 bis 2008 prüfte. Dabei stellten die Rechnungsprüfer fest, dass die Behörde zwischen 63 und 85 Prozent seiner Studien und Entwicklungsvorhaben in dem Zeitraum freihändig vergeben hat. In rund 85 Prozent der freihändigen Vergaben holte das BSI nur ein einziges Angebot ein und vergab den Auftrag ohne Wettbewerb. Insgesamt geht es um 185 Aufträge, die auf diese Weise vergeben wurden. Um welche Art von Projekten es sich genau handelt, ist nicht bekannt, da die Prüfberichte des Bundesrechnungshofs vertraulich sind.

Das BSI gehört zum Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums und berät vorrangig Behörden in Fragen der IT-Sicherheit. Das Amt, das seinen Hauptsitz in Bonn hat, ging aus der „Zentralstelle für das Chiffrierwesen“, einer Dienststelle des Bundesnachrichtendienstes, hervor und beschäftigt mittlerweile 500 Mitarbeiter.

Das Bundesamt begründete seine zweifelhafte Vergabepraxis damit, dass die Leistung nicht genau beschrieben werden könne, um mehrere Angebote miteinander zu vergleichen. Daneben verfügten nur die ausgesuchten Unternehmen über das erforderliche Fachwissen. Einige der Projekte stünden zudem unter „politischem Erfolgsdruck“. Das BSI räumte ein, dass freihändige Vergaben im Einzelfall möglicherweise nicht transparent dargestellt worden seien.

Der Bundesrechnungshof, der die große Anzahl der freihändigen Vergaben beanstandete, gab sich damit nicht zufrieden: Auch bei Vorliegen von Ausnahmetatbeständen seien Aufträge so weit wie möglich im Wettbewerb zu vergeben. In einem Bundestagsdokument ist die Rede davon, der Rechnungshof sehe „mehr als nur formale Defizite“ und vertrete die Auffassung, „dass ein großer Anteil der freihändigen Vergaben auf vergabefremde Erwägungen zurückzuführen ist“. Die Rechnungsprüfer forderten das Bundesamt deshalb auf, Leistungen auch bei freihändiger Vergabe grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben.

Die Vergabepraxis des BSI war mittlerweile auch Thema im Innenausschuss des Bundestages. Wie aus einem vertraulichen Ausschussdokument hervorgeht, das der taz vorliegt, fragte die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, den anwesenden Staatssekretär im Innenministerium, Christoph Bergner, bereits im Juni, was unter „politischem Erfolgsdruck“ zu verstehen sei. „Möglicherweise sei […] damit zum Beispiel das Personalausweisvorhaben gemeint“, zitiert das Dokument Bergner. Der neue Personalausweis wird ab Herbst ausgegeben und enthält einen Chip mit persönlichen Daten. Sicherheitsbedenken hatte das BSI Ende August wieder zurückgewiesen.

Jan Korte, Innenexperte der Linksfraktion im Bundestag, kritisiert, die durch das BSI betriebene Form der Sicherheitsforschung bediene „in erster Linie die Interessen der Sicherheitsbehörden und der Hightechindustrie“. Das BSI habe „Steuergelder in kaum vorstellbarer Höhe regelrecht verplempert“.

MARVIN OPPONG