Mehr Arbeit, weniger Azubis

Die Jugendarbeitslosigkeit in NRW sinkt. Gleichzeitig wächst die Zahl der unter 25-Jährigen ohne Ausbildung. Mit den Überschüssen der Arbeitsagenturen wollen IHK und DGB die Jugend fördern

VON NATALIE WIESMANN

Die Jugendarbeitslosigkeit ist gesunken, jubelte gestern NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und lobte sich selbst: Das Programm „Jugend in Arbeit plus“ – das Land gibt dafür im Jahr 2006 48 Millionen Euro aus – habe sich ausgezahlt. Der neueste Bericht der Regionalagentur NRW spricht zwar einerseits für den Minister: Gegenüber dem August 2005 hat sich die Jugendarbeitslosigkeit um neun Prozent verringert. Anderseits steigt die Zahl der Jugendlichen, die keine Lehrstelle finden, weiter an.

„Die strukturelle Arbeitslosigkeit ist unser größtes Problem“, gibt Werner Marquis, Sprecher der Regionalagentur zu. Zwar sei es erfreulich, dass von der steigenden Konjunktur auch die Jugendlichen profitierten. „Aber an den langzeitarbeitslosen und geringqualifierten jungen Menschen geht die Konjunktur vorbei.“

Die Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen geht derzeit von mehr als 40.000 Bewerbern aus, die noch keinen Ausbildungsvertrag unterschrieben haben. Im vergangenen Jahr lag die Zahl zur gleichen Zeit bei rund 35.000. Auch wenn die Kammern darauf hinweisen, dass im September noch Ausbildungsplätze vergeben werden: Die Regionaldirektion in Düsseldorf rechnet mit rund 10.000 Bewerberinnen und Bewerbern, die in diesem Jahr leer ausgehen werden. Im vergangenen Jahr waren es noch etwas über 9.000.

Die verheerende Ausbildungslage führte im Nachbarland Hessen sogar dazu, dass CDU-Ministerpräsident Roland Koch gemeinsam mit den Gewerkschaften für überbetriebliche Ausbildungsplätze kämpft. Diese sollen nach seiner Vorstellung von den zehn Milliarden Euro Überschuss der Bundesagentur finanziert werden.

Gegen diesen Vorschlag sträubt sich die Wirtschaft in NRW: „Für Ausbildungsplätze sind die Unternehmen zuständig“, sagt Hans Georg Crone-Erdmann, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nordrhein-Westfalen. Doch auch er hält viel davon, die Einsparungen der BA zu Senkung der Jugendarbeitslosigkeit zu nutzen. „Meine Lieblingsidee ist seit langem, mit den überschüssigen Geldern einen Fonds einzurichten.“ Der sollte dann an die Länder verteilt werden, um geringqualifizierte Jugendliche in Arbeit zu bringen. In NRW könnten mit den Geldern erfolgreiche Programme wie „ Jugend in Arbeit plus“ ausbauen: „70 Prozent der Teilnehmer sind über die Förderzeit von einem Jahr bei den Unternehmen beschäftigt“, so Crone-Erdmann.

Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) NRW sind kurzfristige Fördermaßnahmen nicht der richtige Weg: „So erhalten die Jugendlichen nie eine echte Chance auf den ersten Arbeitsmarkt“, sagt deren DGB-Ausbildungsexperte Norbert Wichmann. Er fordert wie der Bundes-DGB, die nicht ausgegebenen Gelder der Arbeitsagenturen in Lehrstellen zu investieren. „Die Politik schiebt eine immer größer werdende Welle von nicht ausgebildeten Jugendlichen vor sich her.“ Diese würden in Warteschleifen, etwa in schulischen Ausbildungen auf Berufskollegs geparkt. „Und es werden jedes Jahr mehr.“

Die Zahl der unter 25-Jährigen ohne abgeschlossene Berufsausbildung liegt bereits bei 57 Prozent, bestätigt auch die Regionalagentur NRW. Bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist die Situation noch gravierender: Von ihnen bleiben sogar drei Viertel der Jugendlichen ohne Ausbildung. „Wenn die Politik das Prinzip des Förderns und Forderns ernst nimmt, muss sie dafür sorgen, dass diese Jugendlichen endlich eine Zukunftsperspektive erhalten“, sagt Wichmann.