„Keine Sanktionen für Erwerbslose!“

ARBEIT Die erwerbslose Cristel T. lässt sich heute die Haare abrasieren – aus Protest gegen das Jobcenter

■ 40, hat keine abgeschlossene Ausbildung und ist seit Oktober 2011 erwerbslos.

taz: Frau T., warum wollen Sie sich die Haare abrasieren?

Cristel T.: Das Jobcenter hat mir schon zum vierten Mal meine Bezüge gekürzt, weil ich Arbeitsvermittlungsangebote abgelehnt habe, die ich nicht angemessen fand. Ich gehe schon länger auf Demonstrationen gegen solche Sanktionen. Aber als mir meine Bezüge im Dezember vollständig gestrichen wurden, habe ich meine ersten eigenen Protestaktionen gestartet: Ich habe mich mit Megafon vors Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg gestellt und eine Kundgebung gegen die Aktionen des Jobcenters abgehalten. Ich bekomme noch immer keine Leistungen.

Wie soll Ihre Aktion genau aussehen?

Meine Unterstützer und ich treffen uns um zehn Uhr vor dem Jobcenter, halten dort eine kurze Kundgebung ab und gehen dann zur Senatsverwaltung für Arbeit. Dort wird mir jemand die Haare abrasieren, die ich dann in einem Briefumschlag in den Briefkasten der Verwaltung werfe. Das ist eine symbolische Aktion, um bildhaft zu zeigen, wie die Jobcenter Erwerbslosen die Haare vom Kopf fressen.

Planen Sie noch weitere Aktionen?

Meine bisherigen Aktionen waren als Reaktionen auf Maßnahmen vom Jobcenter recht spontan. So habe ich zum Beispiel zwei Tage nach einem Sanktionsbescheid mit anderen Erwerbslosen vor einer Zeitarbeitsfirma protestiert, die mich durch das Jobcenter hat sanktionieren lassen. Außerdem spreche ich zum Beispiel nächste Woche auf einer Veranstaltung, um auf das Hartz-IV-Regime und die Sanktionspraxis aufmerksam zu machen.

Glauben Sie nicht, dass Ihre Aktionen auch nach hinten losgehen können?

Doch. Das Jobcenter könnte mich noch ungerechter behandeln als zuvor. Dabei müsste es ja eigentlich alle Erwerbslosen gleich behandeln – völlig unabhängig davon, wie und ob sie sich öffentlich äußern. Mein Pseudonym „Cristel T.“ kennt das Jobcenter auch schon. Aber ich will diese Schikanen nicht hinnehmen. Warum muss ich mein Recht auf Arbeitslosengeld immer wieder einklagen und dann Jahre warten, bis die Klagen verhandelt werden? Sanktionen für Erwerbslose müssen abgeschafft werden. Darauf zielen die Proteste viel eher als auf meine persönliche Situation.

INTERVIEW BARAN KORKMAZ