Unbefristeter Streik bei VW

Nach einer Massenkündigung legen Arbeiter das größte Werk in Brasilien lahm. Opposition beschuldigt Präsident Lula, die falsche Wirtschaftspolitik zu betreiben

PORTO ALEGRE taz ■ Bei VW in São Bernardo do Campo stehen die Bänder seit drei Tagen still. Am Dienstag hatte das Management 1.800 Entlassungsschreiben verteilt – unmittelbar bevor sich die Belegschaft zu einer Betriebsversammlung auf dem Werkshof traf. Die Arbeiter des größten der fünf VW-Werke in Brasilien traten daraufhin in einen unbefristeten Streik. „Über die Form werden wir täglich neu entscheiden. Dabei zielen wir auf Überraschungsmomente ab“, sagte José Lopez Feijóo, Vorsitzender der Metallgewerkschaft.

Die VW-Zentrale in Wolfsburg hat angekündigt, in den kommenden zwei Wochen „strategisch“ über Neuinvestitionen in Brasilien zu entscheiden. Letzte Woche hatte der Konzern bereits mit der Schließung des Traditionswerks bei São Paulo gedroht, wo derzeit noch 12.000 Menschen arbeiten. Bis 2008 will VW in seinen fünf brasilianischen Werken knapp 6.000 Stellen streichen. Die Löhne bei Neueinstellungen sollen um 35 Prozent gesenkt und viele Arbeiterrechte abgebaut werden.

Die Unternehmensstrategie beurteilt Feijóo skeptisch. „VW hat in den letzten Jahren viele Fehlentscheidungen getroffen. Wichtige Marktsegmente in Brasilien hat man kampflos der Konkurrenz überlassen.“

Der brasilianische Markt boomt seit vier Jahren. Allein im ersten Halbjahr 2006 stieg der Absatz um sieben Prozent. „Doch VW ist nur bei den Kleinwagen stark und bringt einfach keine neuen Modelle“, kritisiert Feijóo. Zudem beklagt der Metaller eine „Abkehr von der sozialen Verantwortung“. Auch über den VW-Weltbetriebsrat ist Feijóo enttäuscht: „Theoretisch ist man auf unserer Seite. Im Mai haben wir uns in Mexiko getroffen und eine gute Resolution verabschiedet, doch konkret hat sich seither nichts getan.“

Auch im brasilianischen Wahlkampf ist VW zum Thema geworden. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der am 1. Oktober wiedergewählt werden dürfte, hat seine Privatwohnung in São Bernardo do Campo. Sein Aufstieg hängt eng mit den Arbeitskämpfen der Metaller in den Siebzigerjahren zusammen.

Doch nun greift der Oppositionspolitiker José Serra das Thema VW auf, um die aktuelle Politik zu kritisieren: „Volkswagen wird von Lulas Wirtschaftspolitik erdrosselt.“ Die Hochzinspolitik und die überbewertete Landeswährung Real mache der Autoindustrie das Leben schwer. Der niedrige Dollarkurs beeinträchtigt vor allem den Export des VW-Kleinwagens Fox nach Europa.

Arbeitsminister Luiz Marinho versicherte indes, dass sich die Regierung nicht in die Verhandlungen einmischen möchte. Um eine Schließung der Fabrik in São Bernardo zu verhindern, hatte die staatliche Entwicklungsbank BNDES am Montag ein bereits zugesagtes Darlehen über 181 Millionen Euro an VW auf Eis gelegt. GERHARD DILGER