Die Hessen kommen!

SCHAF UND SHERRY Einst vom Aussterben bedroht, geht es dem Rhönschaf heute deutlich besser: dank Feinschmeckern, die ihr Ökofleisch genießen – mit Apfel-„Sherry“ versetzt

■ Die Lammsalami vom Ökorhönschaf ist ab Ende September in den Perfetto-Märkten der sieben Berliner Karstadt-Filialen erhältlich: www.perfetto.info > Hier ist’s Perfetto > Berlin

■ Näheres über die Metzgerei Der Ludwig, in der die Lammsalami hergestellt wird, steht unter www.der-ludwig.de. Unter dem Menüpunkt „Meine Wurst“ können die Lammsalamis per Webcam beim Reifen betrachtet werden.

■ Weitere Informationen von und über Jürgen Krenz, der den Apfel-„Sherry“ herstellt, steht unter www.rhoenerlebnis.de > Apfelsherry (lk)

VON LARS KLAASSEN

Auf den hoch gelegenen Hängen der Rhön erstreckt sich der Blick über weitläufige Wiesenflächen zu den umliegenden Bergen. Weidende Schafherden runden das Idyll ab. Naturromantik für Touristen? Das auch. Aber die Einzelteile dieses Bilds fügen sich auch in einen handfesten ökologischen Rahmen: Das Mittelgebirge im Dreiländereck von Hessen, Thüringen und Bayern ist seit 1991 Unesco-Biosphärenreservat. Diesem Umstand ist zu verdanken, dass die Rhönschafe heute noch für gute Aussicht in den Höhen sorgen. Ende der 50er Jahre waren sie in dieser Region vom Aussterben bedroht: weil damals Masse noch Klasse war und die Tiere im Vergleich zu anderen Rassen eine rund 30 Prozent geringere Fleischausbeute haben. Nur etwa 300 Rhönschafe waren seinerzeit noch registriert. Die Wende kam in den 80er und 90er Jahren, als Landesverbände des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) sich um die Erhaltung der einheimischen Schafe kümmerte.

Kräuter als Ökodiät

Über 3.000 Muttertiere weiden inzwischen wieder in der Rhön. Ihre Existenz ist kein reiner Selbstzweck: Die Tiere haben eine wichtige Funktion für den Erhalt der Kulturlandschaft im Biosphärenreservat, ebenjener freien Flächen, die für den fernen Blick sorgen – solange sie nicht zuwuchern. Das außerordentlich widerstandsfähige Rhönschaf ist gegenüber den klimatischen Bedingungen der rauen Rhön optimal angepasst. Das Abgrasen der Bergwiesen und Magerrasen bedeutet auch Landschaftspflege für andere: Seltene Pflanzen, Schmetterlinge und bedrohte Vogelarten finden hier einen Lebensraum dank der Schafe.

Und jetzt kommt der interessante Punkt für Genießer: Weil die Tiere sich nicht ausschließlich von saftigem Gras ernähren können, sondern auch viele verschiedene Kräutern verzehren, ist das Fleisch der Rhönschafe bei Feinschmeckern sehr beliebt. Dass die Tiere eher mager sind, macht sie auch kulinarisch attraktiver: Wegen ihres geringen Fettanteils schmeckt das Fleisch nicht tranig.

Kulinarisch attraktiv: Dank geringem Fettanteil schmeckt das Fleisch nicht tranig

Die Qualität der Rhönschafe hat schon vor rund 200 Jahren auch überregional überzeugt. Am 10. Oktober 1813 soll es gewesen sein: Napoleon I. durchquerte die Rhön – und verspeiste Fleisch von einem der hiesigen Schafe. Eigentlich hatte er gerade ganz andere Probleme. Sein Russlandfeldzug war gescheitert, und in nur wenigen Tagen sollte in der Vielvölkerschlacht bei Leipzig eine weitere herbe Niederlage folgen. Trotzdem nahm der Kaiser sich noch die Zeit, den Import dieser Tiere nach Frankreich zu veranlassen. Auf dortigen Speisekarten finden sich die direkten Nachfahren der Rhönschafe bis heute als „mouton de la reine“, was so viel bedeutet wie „königliches Schaf“.

Berliner können die Rhönschafe bald in Form einer Salami genießen: Sie kommt vom Metzgermeister Dirk Ludwig aus Schlüchtern. Rund 500 Lammsalamis produziert er im Monat. Sie bestehen ausschließlich aus dem Fleisch des Ökorhönschafs, das er mit einem Schuss Apfel-„Sherry“ versetzt – ebenfalls aus der Region. Auch bei dieser regionalen Spezialität sorgen die eher unwirtlichen Umweltbedingungen für guten Geschmack: Die Äpfel aus der Rhön sind sauer. Apfelwein, der aus ihnen hergestellt wird, ist das in der Regel anzumerken. Doch Jürgen Krenzer hat aus seiner Ernte etwas ganz anderes gemacht: Er ließ die sauersten seiner Exemplare mit einer Hefe vergären, die bei der Sherry-Produktion verwendet wird. Das Ergebnis: Apfel-Dessertweine, die den Gaumen nicht mit pappsüßen Aromen erschlagen, sondern komplexe Aromen mit herben Noten entwickeln. Einige seiner Weine baut Krenzer in alten Whiskyfässern aus. Das Ergebnis dieser „Kreuzung“ fand große Beachtung: Der 2007er Jahrgang dieser Edition wurde unter die „Top Ten“ der Apfelsüßweine weltweit gewählt.

Ludwig und Krenzer haben mit Schaf und Sherry ein Duett kreiert, das sich aus guten Grund aufmacht, um ein wenig in der Welt herumzukommen. Der erste Schritt führt ganz klassisch aus der Provinz in die Hauptstadt.