Postumes Misstrauen

IM VISIER Oskar Pastior, enger Freund von Herta Müller, hat für die Securitate gearbeitet

Was Überwachung anrichtet, darüber hat Herta Müller immer wieder geschrieben

Zu den perfidesten Auswirkungen staatlicher Überwachung gehört das Misstrauen, das sie selbst zwischen nahen Menschen schürt: Wer weiß denn schon, ob der andere nicht heimlich Mitarbeiter der totalitären Überwachungsapparate ist? Auf die Beschädigungen – bis hin zu psychischen Verkrüppelungen –, die das verursacht, hat die Nobelpreisträgerin Herta Müller immer wieder hingewiesen. Aufgewachsen ist die Autorin in Rumänien, und die Securitate hatte sie im Visier. Nun wurde bekannt, dass ihr 2006 verstorbener Lebensfreund Oskar Pastior, dem sie so großes Vertrauen entgegenbrachte, dass sie mit ihm ihren letzten Roman „Atemschaukel“ zusammen schrieb, mit der Securitate zusammenarbeitete. Zynischer hätte man sich das kaum ausdenken können.

Allerdings ist unklar, in welchem Umfang Pastior der Securitate konkret zuarbeitete. Der renommierte Germanist Stefan Sienerth stieß auf eine von Pastior unterschriebene Verpflichtungserklärung gegenüber dem damaligen rumänischen Geheimdienst. Wegen regimekritischer Gedichte war Pastior am 8. Juni 1961 verhört worden. Er legte ein Schuldeingeständnis ab und wollte sich „rehabilitieren“. „Hierfür werde ich mir alle Mühe geben, um dem Regime der VRR [Volksrepublik Rumänien] feindliche Elemente zu enttarnen“, heißt es in der Erklärung. Pastior wurde dann als „IM Stein Otto“ geführt. Sienerth sagt, dass Pastior Angst hatte, „dass seine Homosexualität publik gemacht und er den gängigen Repressalien ausgesetzt werden würde“. Gefunden hat Sienerth darüber hinaus nur einen einzigen konkreten Spitzelbericht Pastiors.

Herta Müller sagte der FAZ, dass sie erst „Erschrecken, auch Wut“ verspürte, ihre nächste Reaktion sei aber „Anteilnahme“ und „Trauer“ gewesen. Hinzufügen möchte man den Wunsch, dass sich alle weiteren, bislang noch unenttarnten IMs von sich aus melden. Aber dieser Wunsch ist wohl naiv. DRK