Friedenspreis für Abschiebegegner

Der kleine Bürener Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“ bekommt für sein Engagement in Deutschlands größtem Abschiebeknast den Aachener Friedenspreis. Laudator Günter Wallraff: Gefängnisse sind „Institutionen der Unmenschlichkeit“

VON SOPHIE HAARHAUS

Sie werden oftmals behandelt wie Verbrecher, viele von kennen ihre Rechte nicht und fast alle haben Angst vor der Zukunft: Menschen in Abschiebehaft. Ihr einziger Kontakt zur Außenwelt sind oft freiwillige Helfer, die sich um die ausländischen Häftlinge kümmern.

Gestern wurde der Aachener Friedenspreis an den Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ verliehen, eine Initiative mit etwa 50 Aktiven. In Büren bei Paderborn befindet sich Deutschlands größter Abschiebeknast.

Bei der Preisverleihung kritisierte Laudator Günter Wallraff die deutschen Abschiebegefängnisse als „Institutionen der Unmenschlichkeit“. Die „Abschiebemaschinerie“ sei ein „menschenunwürdiges System“, in dem staatlicher Abschiebewille mehr bedeute als die politischen und sozialen Rechte von hunderttausenden Migranten und Flüchtlingen, sagte er.

Im vergangenen Jahr wurden 16.865 Menschen abgeschoben. Viele von ihnen verbrachten ihre letzte Zeit in Deutschland in Haft. „Sie werden gehalten wie Verbrecher“, sagt Elisabet von Heidenfeld von der Initiative gegen Abschiebehaft in Berlin. „Dabei ist das einzige Delikt, weswegen sie da sind, dass ihnen die richtigen Papiere fehlen.“

Nach Angaben der „Antirassistischen Initiative“ in Berlin haben sich seit 1993 mindestens 49 Menschen in Abschiebehaft das Leben genommen. Außerdem wurden deutschlandweit fast 400 Selbstmordversuche im Abschiebeknast bekannt. Menschen in Abschiebehaft seien oft von Existenzängsten geplagt, sagte Bernd Mesovic, Sprecher von Pro Asyl, der taz. Das schlage sich auf die Psyche nieder.

Es hängt vom Bundesland ab, wie in Deutschland mit Abschiebehäftlingen umgegangen wird. Einige Länder halten die Betroffenen so lange in Haft, bis ihre Abschiebung geregelt ist. Das darf in Deutschland bis zu 18 Monaten dauern – länger als in irgendeinem anderen Land der EU. Andere Bundesländer, erklärt Mesovic, zögen eine „Abschiebung im Morgengrauen“ vor, bei der die Ausländer überraschend verhaftet und sofort zum Flughafen gebracht werden.

Unterschiedlich sind auch die Bedingungen für diejenigen, die versuchen, die Abschiebung zu verhindern – oder für die Betroffenen wenigstens zu erleichtern. So lag bis vor drei Jahren der Hamburger Abschiebeknast im Umland und war mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen. Trotzdem fuhr eine Gruppe von Aktiven jeden Sonntag hin, um ihre Slogans über den Zaun zu rufen: „No border, no nation“, riefen sie. „Stop deportation“, kam die Antwort der Insassen durchs Fenster. Dann wurde die Telefonnummer der Beratungsstelle ausgerufen – und die Inhaftierten, die Beistand haben wollten, riefen ihre Namen. Die Hamburger Aktivisten konnten dann Besuchsrecht beantragen. Vor drei Jahren wurden die Abschiebehäftlinge in ein anderes Gefängnis verlegt. Dort sind sie nur noch zu erreichen, wenn man Namen und Häftlingsnummer kennt. Die Aktivisten halten jetzt Mahnwachen vor der Ausländerbehörde. Viel mehr können sie nicht tun.

Die Berliner Aktivistin Elisabet von Heidenfeld vermutet, die geografische Lage einiger Abschiebeknäste sei kein Zufall. So ist auch der Knast in Berlin-Köpenick schwer zu erreichen. Seelsorger, die hier frei Zutritt haben, können die Häftlinge aber immerhin auf die Hilfsangebote der Initiativen hinweisen.

Die Initiativen bieten den Betroffenen im Gefängnis unter anderem Rechtsberatung oder vermitteln sie an Anwälte. Oft können sie die Abschiebung zwar nicht verhindern, aber die Härten für die Häftlinge abmildern. Sie können zum Beispiel ihre Wohnung auflösen oder Freunde und Verwandte benachrichtigen. „Die Aktivisten haben auch eine Art Kontrollfunktion in den Gefängnissen“, meint Bernd Mesovic von Pro Asyl. Das sähen die meisten Haftanstalten allerdings nicht gerne.