Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Dass die Grünen ihr Standbein „Gewaltlosigkeit“ aufgeben, muss man nicht unbedingt als Verrat an einer Bewegung geißeln, die es so nicht mehr gibt. Wenn schon Kritik, dann an der SPD, die sollte sich in Sachen Bildung schämen

Die Grünen verschenken die Chance, nach einer ernüchternden Beteiligung an der Macht einen praxisgeläuterten Pazifismus zu entwickeln

taz: Was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Wettermäßig ein zirkuswürdig dummer August.

Was wird besser in dieser?

5 Jahre 11. 9. birgt Chance zu nüchterner Betrachtung der Folgen.

Am Wochenende haben sich die Grünen „neu“ erfunden – als Öko-Partei, die aber auch sozial ist. Taugt das Konzept, um endlich Joschka Fischers Pragmatismus hinter sich zu lassen?

Vom tradierten Dreiklang „ökologisch, sozial, gewaltfrei“ ist letzterer Aspekt, immerhin kampflos und damit gewaltfrei, zur Adoption freigegeben. Das muss man nicht als Verrat an der Bewegung geißeln, nachdem es die kaum mehr zu geben scheint. Bliebe der Verrat an einer Idee zu Gunsten Fischers Erbe. Eine heikle Antwort auf die Mottofrage: „Wie geht’s nach morgen?“ Nach gestern geht’s den Grünen nicht gut.

Bei internationalen Einsätzen sind die Grünen staatstragend und haben anders als Linkspartei und FDP das Gewehr bei Fuß, wenn die UNO ruft. Liegen sie damit richtig?

Zu allerlei Ökologie und Globalisierung, Bildung, Arbeit und Europa wurde nachträglich der Schwerpunkt „Nahost“ eingerückt. Man kann zur Kenntnis nehmen, dass es etwa zu der Formulierung „Neue Wege zu gewaltfreier Politik“ nicht gereicht hat. Dabei erinnert der Wähler noch gut, wie die FDP in Bosnien und Kosovo munter Remilitarisierung betrieb, und weiß auch, dass die PDS stets als erste schicke neue Sachen aus der Meinungsboutique anhat, wenn’s nichts kostet. Die historische Chance, nach einer ernüchternden Machtbeteiligung praxisgeläuterten Pazifismus zu entwickeln, wird verschenkt.

Was sollten die Deutschen denn lieber machen als Truppen, etwa in den Libanon und ins Wasser davor, zu schicken?

Die Lieferung von U-Booten, die mit Atomraketen aufzurüsten sind, an Israel ist ein viel deutlicheres Signal als jede Fregatte unter knatterndem „Wir meinen es ja nur gut“-Fähnchen.

Gern wüsste man, was eigentlich die deutschen Geheimdienste in Ländern wie Libanon oder Afghanistan so tun, ob nun gerade deutsche Terrorverdächtige dort weilen oder nicht. Erwarten Sie vom nun tagenden BND-Ausschuss da Aufklärung? Und wenn, welche?

Dass deutsche Terrorverdächtigte menschenrechtswidrig in Guantánamo eingekerkert sind, hat der Ausschuss über Jahre nicht aufgeklärt. Auch die klügsten Abgeordneten können kaum nach Sachverhalten fragen, die sie nicht kennen. Also wäre eine Anhörung Murat Kurnaz’ und damit wenigstens der Versuch, jüngere Vergangenheit zu klären, schon ein Schritt.

Die SPD besinnt sich mit ihrem Vorsitzenden Kurt Beck derweil auf die Leistungsträger der Gesellschaft, also alle, die hart arbeiten. Die Spekulanten und „Heuschrecken“ scheinen da nicht dazuzugehören. Ist das, was so nach Westerwelle klang, also eigentlich eine Kapitalismuskritik?

Man mag ausdeuten, wen Beck eigentlich gemeint haben mag. Man kann aber klar ablesen, wen nicht: Arbeitslose, Rentner, Alleinerziehende, Fürsorgebedürftige und so fort. Aus der hier nicht angesprochenen Klientel könnte man eine eigene Partei machen, wenn’s die PDS nicht schon gäbe.

Schlüssel für den sozialen Aufstieg ist die Bildung. Das wiederholt auch Kurt Beck immer wieder, so auch bestimmt nächste Woche bei der SPD-Veranstaltung „Mehr Bewegung in die Bildung“. Was müsste in diesem Bereich passieren?

Nachdem die SPD gerade der Regionalisierung von Bildung in der Föderalismusreform zugestimmt hat, wäre zum Beispiel „Eine Runde Schämen“ eine konkludente Maßnahme. Die damit angefachte Zersplitterung des Schulwesens zeigt in Gegenrichtung aller Pisa-Erkenntnisse; im gleichen Zuge wurde die Entscheidung über Bildungschancen bei den Länderfinanzministern eingeliefert. Hinterher anzukommen und Gesamt- und Gemeinschaftsschulen zu fordern, hat etwas Dadaistisches.

Nächste Woche stellt Eva Herman ihr Buch „Das Eva-Prinzip“ vor, in dem sie Frauen wieder an den heimischen Herd schicken will. Was treibt eine so erfolgreiche Karrierefrau nur dazu an?

Ulrich Wickert durfte Haschisch-Anekdoten erzählen und den US-Präsidenten harsch kritisieren – und weiter moderieren. Zu Recht. Ich habe jetzt keine Lust, Frau Hermans Privatmeinung zu kritisieren, um das Geschäft derer zu besorgen, die im Gegensatz zu Wickert eine Frau ansatzlos freistellen.

Wollen Sie vielleicht ein Loblied auf den guten, alten Feminismus anstimmen?

Ich weiß nicht, was daran feministisch sein soll, eine Frau wegen unerwünschter Meinung abzustrafen. Die Jungs von der AirBerlin-Geflügelwurst-Mineralwasser-Bitburger-Fraktion dürfen weitersenden.

Was macht die Fußballnationalmannschaft (der Männer)?

Freude. Fällt schwer, sich das Spiel am Mittwoch gegen San Marino nicht knapp zweistellig vorzustellen. FRAGEN: SR