In Afghanistan blüht das Opiumgeschäft

Die Anbaufläche für den Grundstoff des Heroins ist rasant gestiegen. Nur sechs von 34 Provinzen des Landes am Hindukusch sind „opiumfrei“. Laut UN-Angaben stieg die Ernte von 4.100 Tonnen im letzten Jahr auf 6.100 Tonnen in diesem Jahr

VON SVEN HANSEN

Der Anbau von Opium in Afghanistan hat 2006 wieder stark zugenommen. Im fünften Jahr nach dem Sturz der radikalislamischen Taliban stieg die Anbaufläche für Opium, den Grundstoff für Heroin, von 104.000 auf 165.000 Hektar. Dies teilte der Leiter des in Wien ansässigen Büros der Vereinten Nationen für Drogen und Verbrechen (UNODC), Antonio Maria Costa, am Samstag nach einem Treffen mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai in Kabul mit. Laut Costa wurde der durchschnittliche landesweite Anstieg um 59 Prozent in der südlichen Provinz und Talibanhochburg Helmand noch weit übertroffen. Dort stieg die Fläche gegenüber dem Vorjahr um 162 Prozent.

Laut den Ergebnissen des diesjährigen UNODC-Länderberichts, der auf der Auswertung von Satellitenbildern und lokalen Umfragen basiert und dessen Eckpunkte Costa vorstellte, beträgt Afghanistans diesjährige Opiumernte 6.100 Tonnen. 2005 lag sie bei 4.100 Tonnen. Im vergangenen Jahr war erstmals seit dem Sturz der Taliban ein leichter Rückgang der Opiumproduktion um 100 Tonnen zu verzeichnen. Heute kommen 92 Prozent der Weltopiumproduktion aus Afghanistan. Das Land am Hindukusch produziere sogar 30 Prozent mehr als weltweit konsumiert werde, so Costa. „Nur sechs der 34 Provinzen sind heute opiumfrei“, sagte Costa. „In acht ist der Anbau zurückgegangen.“ Doch in 20 Provinzen habe er stark zugenommen. Neben Helmand nannte er das Beispiel der nördlichen Provinz Badakschan, wo es keine Taliban gibt. Costa machte dort die Macht von Warlords, eine schwache Regierung, Korruption, Armut und Dürre für den Anstieg verantwortlich.

Laut dem obersten UN-Drogenbekämpfer sei der Opiumanbau der größte Arbeitgeber des Landes, die größte Einkommens- und Kapitalquelle und das größte Exportgeschäft. Dennoch sei die Lage nicht hoffnungslos, meinte Costa, wenn Provinz für Provinz vorgegangen werde. „Drogenfreie Gebiete sollten mit mehr substanzieller und sichtbarer Entwicklungshilfe belohnt werden. Gouverneure und Polizeichefs, die Opiumprovinzen vorstehen, sollten entlassen und angeklagt werden“, forderte er. Sonst entwickle sich die Situation zu einem Krieg gegen die Taliban, der nicht zu gewinnen sei. Costa forderte auch von den Konsumentenländern ein stärkeres Vorgehen gegen den Drogenhandel. Erneut lehnte er es ab, den Opiumanbau zur Produktion von Schmerzmitteln zu genehmigen. Dies sei nicht zu kontrollieren, der Markt dafür zu klein.

Der afghanische Drogenbekämpfungsminister Habibullah Qaderi wiederholte in der gleichen Pressekonferenz, dass Afghanistans Drogenproblem in fünf Jahren „unter Kontrolle“ sei. Auf Nachfrage räumte er allerdings ein, dass es auch zwanzig Jahre dauern könnte. Qaderi und Costa setzen in Helmand Hoffnungen auf die Anwesenheit britischer Soldaten der Nato-geführten internationalen Isaf-Friedenstruppe. Die Briten sind dort erst im Frühjahr und damit kurz vor der Opiumernte stationiert worden. Doch ist ihr Einsatz viel gefährlicher als erwartet. Da bisher kaum Alternativen für den Drogenanbau entwickelt wurden, treten die Taliban in der Region inzwischen als Schutzmacht der Drogenbauern auf.

Am Samstag erlitt das britische Militär beim Absturz eines Aufklärungsflugzeuges bei Kandahar mit 14 Toten den größten einzelnen Verlust in Afghanistan. Ein Isaf-Sprecher wies Behauptungen der Taliban, das Flugzeug mit einer Stinger-Rakete abgeschossen zu haben, zurück. Die Absturzursache sei ein zuvor vom Piloten gemeldeter Defekt. Seit Ende 2001 starben in Afghanistan 36 britische Soldaten, davon sieben seit August bei Kämpfen in Helmand.