„Wir sind allen Parteien gegenüber offen“

Tschechiens Grünen-Chef Martin Bursik erklärt, warum seine Partei eine konservative Minderheitsregierung toleriert

taz: Herr Bursik, unter Ihrem Vorsitz haben sich Tschechiens Grüne in wenigen Monaten von einer radikalen Ökobewegung in eine politische Partei verwandelt und sind seit den Wahlen vom Juni im Parlament. Wie haben Sie das geschafft?

Martin Bursik: Die Strategie meiner Vorgänger bestand darin, in der politischen Nähe der Sozialdemokraten zu bleiben. Mein Bestreben war, die Grünen als Partei der politischen Mitte zu etablieren, die allen anderen Parteien gegenüber offen ist. Wir mussten einen autonomen Raum für unsere Politik schaffen und uns nicht in die linke oder rechte Schublade stecken lassen.

Nun haben Sie Koalitionsgespräche mit der konservativen ODS geführt. Warum?

Das liegt daran, dass die Partei die Wahlen gewonnen hat und ihr Vorsitzender mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. Die Sozialdemokraten jedoch sind weit davon entfernt, eine moderne Partei zu sein. Das sieht man auch an ihrer Bereitschaft, mit den Kommunisten zusammenzuarbeiten.

Doch auch zur ODS gibt es große Unterschiede. Die Grünen sind für die Vertiefung der europäischen Einigung, für eine gemeinsame europäische Außenpolitik. Der ODS-Chef Mirek Topolanek dagegen hat die Europäische Verfassung als „shit“ bezeichnet.

Der Euroskeptizismus der ODS wird vor allem von Präsident Václav Klaus repräsentiert. Mirek Topolanek ist sehr darum bemüht, sich von Klaus zu emanzipieren. In seiner Regierung hat Topolanek keine Ministerposten an Euroskeptiker vergeben. Während der Koalitionsverhandlungen hat sich die ODS auf unser Drängen hin weiterentwickelt. Die Bereitschaft, auf die Grünen zu hören, hat einen logischen Grund. Topolanek braucht Partner, er muss das Koalitionspotenzial seiner Partei erweitern.

Hätten Sie mit einem sozialdemokratischen Wahlsieger trotz Nähe zu den Kommunisten Verhandlungen begonnen?

Keinesfalls. Eine Zusammenarbeit kommt für uns nicht in Frage.

Warum lehnen Sie das so kategorisch ab? Immerhin sind die Kommunisten die drittstärkste Kraft im Parlament.

Die tschechischen Kommunisten haben keinen Prozess der Selbstreflexion durchgemacht. Sie haben sich nicht zu einer modernen demokratischen Linken gewandelt, wie es in anderen postkommunistischen Staaten der Fall war. Die kommunistische Partei hat sich noch nie zu ihrer Vergangenheit geäußert. Im Europaparlament stimmen die tschechischen kommunistischen Abgeordneten nicht für die Einhaltung der Menschenrechte. Sie waren gegen eine Resolution, die den Stalinismus verurteilte. In Tschechien haben die Kommunisten zu Beginn ihrer Wahlkampagne Privateigentum verdammt. Der Parteivorsitzende, Vojtěch Filip, hat die Todesschützen der Grenze verteidigt. All das ist für uns absolut inakzeptabel. Die Einhaltung von Menschenrechten ist, neben dem Umweltschutz, ein Grundpfeiler unserer Politik.

Ein weiterer Grundpfeiler ist der Atomausstieg. Dennoch waren Sie bereit, sich an einer Regierung zu beteiligen, die plant, das AKW Temelín auszubauen.

Wir haben klar gesagt, dass wir gegen den Bau weiterer Reaktoren sind. Längerfristig gesehen werden wir die Diskussion über den Atomausstieg eröffnen. Im Koalitionsvertrag mit der ODS haben wir durchgesetzt, dass man nicht weiter am Programm der AKW-Erweiterung festhalten wird. Wenn wir jetzt mit der ODS über eine Tolerierung ihrer Minderheitsregierung verhandeln, stellen wir diese Forderung erneut. INTERVIEW: ULRIKE BRAUN