Blind Date mit dem Ex-Feind

Koalition mit der CDU? Die Grünen drücken sich um klare Ansagen. Aber im Hintergrund basteln die Parteistiftungen schon lange diskret an Modellen für die neue Bündniskonstellation

Von Johannes Himmelreich

Schwarz-Grün oder lieber nicht – die Grünen sind sich nicht einig. Noch vor einem Jahr schloss Joschka Fischer eine Zusammenarbeit auf Bundesebene aus. Bundesvorsitzende Claudia Roth dagegen sagte kürzlich, sie schließe gar nichts aus. Auf kommunaler Ebene immerhin gibt es im Norden mit den Koalitionen in Kiel und im Hamburger Bezirk Altona schon seit mehreren Jahren zwei Beispiele, die als vorbildlich gelten. „Grün-Schwarz: gut auch anderswo?“, lautete jetzt das Thema auf einer Podiumsdiskussion in Altona – die Partei stellt sich die Frage öffentlich.

Eine kleine Partei müsse an ihren Wertvorstellungen unerbittlich festhalten, „sonst gibt sie sich auf“, mahnte dort der Bundesvorsitzende Reinhard Bütikofer und klang dabei fast konservativ. Kommunale grün-schwarze Bündnisse seien weder außergewöhnlich noch jemals von den Wählern in der nächsten Wahl bestätigt worden. Frage vom Tisch?

Politiker handeln und reden kurzfristig – anders die Stiftungen der Parteien, die konzeptionellen und ideologischen Werkhallen. Dort gab es vor zwei Jahren eine Zusammenarbeit zwischen der Heinrich-Böll- und der Konrad-Adenauer-Stiftung: Schwarze und grüne Kommunalpolitiker trafen sich und berichteten von der Zusammenarbeit. Veranstaltungen dieser Art soll es im nächsten Jahr wieder geben, doch auf den Homepages der Stiftungen sucht man Informationen über das Thema vergeblich.

„Wie viel grüne Politik ist mit der CDU machbar?“, fragte Bütikofer. Die Antwort liegt in der Praxis: Manchmal liefen ähnliche Inhalte bei der CDU unter anderem Namen. Ökologie werde zum Beispiel bei der Union unter „Bewahrung der Schöpfung“ verbucht, sagt Dr. Ralf Baus, Leiter des Arbeitsbereichs Innenpolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die CDU sei grüner und die Grünen bürgerlicher geworden, außerdem hätten sich beide ent-ideologisiert. Rund 30 schwarz-grüne Bündnisse in sechs Bundesländern gibt es momentan, die alle mit der gleichen Problematik leben: Wenn Ökologie und wirtschaftliche Interessen sich gegenüber stehen, entscheidet sich die CDU für die Wirtschaft.

„Inhalte vor Macht“ – der Slogan von Parteitag 2002 wurde an diesem Abend immer wieder zitiert. Auf die Inhalte komme es an, sagte auch Dorothee Freudenberg von der GAL Altona. „Unterstützung für Menschen, die in Illegalität leben und die Sicherung von Bauwagenplätzen“, seien besonders wichtige Identifikationspunkte der Grünen. Themen, die glücklicherweise nicht Bezirkssache sind und mit der CDU wohl auch eher schwierig umzusetzen wären. Dennoch „müssen die Grünen klar machen, dass man alle Koalitions-Optionen hat“, so eine Wortmeldung aus dem Publikum.

„Wenn die alten Konstellationen nicht mehr funktionieren, werden Koalitionen wichtiger“, sagt Peter Siller, der Leiter der Inlandsabteilung der Heinrich-Böll-Stiftung. „Das eigene programmatische und konzeptionelle Profil muss klar sein.“ Gerade der Differenzen zwischen den Parteien müsse man sich bewusst sein. In Altona und Kiel werden diese in Koalitionsabkommen abgefedert. Damit leisten die Koalitionäre Vorarbeit für andere – und vielleicht für höhere Ebenen.

„Der Markenkern muss bewahrt werden“, sagt Bütikofer. Ob das bedeutet, eine Koalition mit Schwarz zu vermeiden oder wenigstens die Umsetzung anderer „Nicht-Markenkern-Punkte“ in Zusammenarbeit zu wagen, ließ er bewusst unbeantwortet. In Kiel und Altona wagt man es, und es funktioniert: „Wir verbiegen uns nicht“ heißt es unisono im Bezirk und in der Landeshauptstadt. In Altona ist das Bündnis offenbar noch ein wenig enger: „Wir lernen voneinander, in harter Arbeit“, so die Altonaer Koalitionsspitzen.