Puh, Kim Jong Un, das war aber verdammt knapp!

INSZENIERUNG Nordkorea perfektioniert seine Wahlen mit garantiertem Traumergebnis für den Diktator

BERLIN taz | Es gibt kein „Nein“, niemand enthält sich: Bei der „Wahl“ zur Obersten Volksversammlung hat der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un 100 Prozent Zustimmung erzielt. Das berichteten am Montag die amtlichen Medien des Landes – ohne zunächst die Ergebnisse der anderen knapp 700 Kandidaten zu vermelden.

Damit hat der etwa 31-jährige Erbe der Kim-Dynastie seine Stellung an der Spitze der politischen Hierarchie des Landes offiziell wieder einmal bekräftigt: Kim Jong Un ist nicht nur Enkel des Staatsgründers Kim Il Sung und Sohn des 2011 verstorbenen Kim Jong Il, sondern auch Oberkommandierender der Streitkräfte, Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsausschusses und Vizevorsitzender der Koreanischen Arbeiterpartei.

Die Oberste Volksversammlung mit ihren zuletzt 687 Abgeordneten wird alle fünf Jahre „gewählt“. Sie tritt in der Regel nicht häufiger als ein- oder zweimal jährlich zusammen, um Gesetze und Maßnahmen der Regierung abzusegnen.

Für politische Beobachter Nordkoreas sind die Fernsehbilder von solchen Sitzungen im lokalen TV-Programm eine Gelegenheit, darüber zu spekulieren, ob es einen Generationswechsel in der Partei gibt, wer aufsteigt und wer nicht wieder auftaucht.

Von einer echten Wahl konnte bei der Abstimmung am Sonntag keine Rede sein: Für jeden Wahlkreis war nur ein Kandidat angetreten, auf dem Stimmzettel war nur „Ja“ oder „Nein“ anzukreuzen. Zudem herrscht Wahlpflicht: Wer nicht an der Urne erschien, der musste Medienberichten zufolge damit rechnen, zu Hause besucht zu werden.

Den Behörden Nordkoreas bot sich damit auch die Möglichkeit, nachzuprüfen, ob die Bevölkerung heute tatsächlich auch dort lebt, wo sie offiziell registriert ist. Seit dem die Wirtschaft des Landes in den vergangenen Jahren in einigen Bereichen von der rigiden Planwirtschaft abgerückt ist und sich Beschäftigte bankrotter Firmen selbst um einen Job kümmern müssen, ist es offenbar schwieriger geworden, das engmaschige Netz der Kontrollen aufrechtzuerhalten.

Das Fernsehen zeigte am Sonntag, wie Kim Jong Un, der kürzlich seinen Schwager hatte hinrichten lassen, in Begleitung seiner jüngeren Schwester, mehrerer hoher Militärs und Parteifunktionäre in der Kim-Il-Sung-Hochschule für Politik seine Stimme für einen anderen Kandidaten, Generalmajor Kim Kwang Hyok, abgab. Anschließend boten Angehörige der Streitkräfte „fröhliche Tänze voller Stolz und Ruhm“ dar, wie KCNA berichtete. JUTTA LIETSCH