OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Bei der Berlinale 2009 lief Adam Elliots Knetanimationsfilm „Mary and Max“ in der Sektion Generation 14plus, gedacht also für ein jugendliches Publikum. Das ist zwar so weit in Ordnung, assoziiert jedoch „Kinderfilm“. Und ein solcher ist das Werk des australischen Oscarpreisträgers sicher nicht. Denn der Regisseur erzählt ziemlich böse kleine Geschichten um mental und physisch gehandicapte Außenseiter, denen einfach alles Pech dieser Erde an den Hacken zu kleben scheint. Dabei sind Elliots Filme jedoch enorm komisch und von großem Verständnis für seine Protagonisten geprägt: Deren Katastrophen werden mit einer unglaublichen Lakonie vorgetragen, die den tiefschwarzen Humor erst richtig zum Tragen bringt. „Mary and Max“ erzählt von einer Brieffreundschaft zwischen der anfangs achtjährigen Australierin Mary und dem 44-jährigen New Yorker Max Horovitz. Mary lebt in einer farblosen Welt, hat eine große Brille und ein ebenso großes Geburtsmal auf der Stirn; Max kämpft mit Übergewicht und den Symptomen seines Asperger-Syndroms (eine Form des Autismus). Freunde haben die beiden nicht, dafür aber lieben sie Schokoriegel und Cartoonfiguren. Das schweißt zusammen. Die enorm zeitaufwändige Knetanimation in der Stop-Motion-Technik hat ja immer etwas von liebevoller Bastelarbeit. Doch auch wenn man die Technik bewundert – den Zuschauer packen die tragikomischen Geschehnisse natürlich vor allem deshalb, weil sie ein allgemeingültiges Thema berühren: den Wunsch nach Liebe, Freundschaft und einem erfüllten Leben. (OmU, 23.–29. 9., Babylon, Central, Eiszeit, Kulturbrauerei, Tilsiter Lichtspiele)
Ein interessantes und heute eher wenig bekanntes Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte rollt Ilona Ziok in der Dokumentation „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ auf: Ihr Protagonist ist ein jüdischer Staatsanwalt, der die Rehabilitierung der Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944 betrieb und die Frankfurter Auschwitzprozesse initiierte. In der restaurativen Adenauer-Ära, als im Justizapparat immer noch die alten Nazis saßen, machte sich Bauer dabei viele mächtige Feinde im Establishment, inspirierte jedoch junge Juristen. Gleichwohl äußerte er sich gegen Ende seines Lebens recht pessimistisch zur Frage, ob wirklich ein Umdenken stattgefunden habe. Bauers Tod im Jahr 1968 bleibt bis heute ungeklärt: eine Geheimdienstverschwörung kann ebenso wenig ausgeschlossen werden wie ein möglicher Selbstmord. (24. 9., Bali)
„And now in English, to save them the trouble of translation.“ Feldmarschall Rommel (Erich von Stroheim) weiß, was er seinen Gegnern, die seine Berichte sowieso abhören, schuldig ist. Rommel ist eigentlich nicht die Hauptfigur in Billy Wilders Anti-Nazi-Kriegsfilm „Five Graves to Cairo“ (1943), aber dank Stroheims Darstellung die beeindruckendste Persönlichkeit auf der Leinwand. Das Filmmuseum Potsdam zeigt den Film aus Anlass des 125. Geburtstages von Stroheims, der die Kunstfigur des bösen Deutschen in Uniform so liebevoll-absurd verkörperte wie kein Zweiter. (24.-26. 9., Filmmuseum Potsdam) LARS PENNING
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