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daumenkino„Cars“

Eine Vollbremsung kurz vor dem Ziel. Der Rennwagen Lightning McQueen wendet und verzichtet auf den sicheren Sieg im entscheidenden Rennen. Er wendet, fährt zum eben verunglückten alten Champion, den ein Rivale absichtlich aus der Bahn geworfen hat, und schiebt ihn über die Ziellinie.

Eine Vollbremsung auch für die Geschichte. Lightning McQueen war erst ein arroganter Einzelkämpfer und brauchte lange, um zu erkennen, welchen Wert menschliche Beziehungen haben. In jedem anderen Film hätte er dafür die Belohnung des Sieges erhalten. Für den Regisseur und Pixar-Kopf John Lasseter aber ist die Fabel wichtiger als ein Happy End. Persönliche Integrität muss bei ihm ohne Belohnung auskommen – jedenfalls fast, denn natürlich stehen nun die neu erworbenen Freunde noch fester zu ihm. „Gratuliere zur Niederlage“, sagt der Abschleppwagen, und diese Paradoxie zeigt, wie neu Lasseter die alte Geschichte erzählt. Die Motivation überzeugt stets, die Wendungen aber überraschen – und nicht nur am Schluss. Wobei das größte Phänomen die Helden selbst sind. Pixar definiert – wie üblich – einen neuen Standard: So genau waren Lichtreflexe auf Metall noch nie zu sehen. Die Eingangssequenz spielt mit der Ästhetik von Werbefilmen das langsame Wandern einer Lichtquelle auf dem spiegelnden Lack durch – doch dieser Fetischismus wird nur aufgebaut, um dann zerstört zu werden. Je dreckiger der Rennwagen wird, desto liebeswerter wird er auch.

Es ist die Sorgfalt, mit der Effekte in die Geschichte eingebaut werden, die bei Pixar überzeugt. Lasseter verzichtet nahezu auf Klamauk. Fast jeder Witz wird weitergedreht, etwa wenn eine Fliege gegen eine Scheibe fliegt, wird erst jetzt deutlich, dass es sich um ein kleines Auto mit Flügeln handelt. Das ist niedlich. Die Kamera verharrt auf der Scheibe und dann fällt auf, die Rutschspuren auf dem Fenster haben Reifenprofil!

Die Aufgabe, die Helden glaubhaft agieren zu lassen, scheint unlösbar – und tatsächlich erinnern in einigen wenigen Szenen die Oberflächen eher an Plastikspielautos als an Metall. Die Kühler der Autos ersetzen Münder, wölben, blähen, verziehen sich mit jedem gesprochenen Wort. Durch ein neues Computerprogramm gelingt es Pixar trotzdem. Der Effekt dieser Arbeit: Die Autos verhalten sich nach physikalischen Gesetzen und überschreiten sie glaubwürdig. Vollends tollkühn ist der Versuch, nicht wie bei Baumeister Bob den Maschinen menschliche mandelförmige oder runde Augen zu geben, sondern allein durch ein Auf und Ab von Lidern auf der Frontscheibe menschliche Mimik zu imitieren. Auf den Filmstills sah das platt aus, im Film selbst charakterisierte es jedes Auto in ganz eigener Weise. Im Nachspann, währenddessen einige Szenen in Slow-Motion ablaufen (Glücksmomente für alle Animationsliebhaber), ist die Sorgfalt dieser Bewegung genau zu studieren. MARTIN ZEYN

„Cars“. Regie: John Lasseter, Animationsfilm, USA 2006, 116 Min.

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