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Der Zauberer von Poona

BEFANGENER BLICK Sagt mehr über die Jünger als über den Sektenführer aus: Die Dokumentation „Guru – Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard“ von Sabine Gisiger und Beat Häner gewinnt erst spät an Fahrt

Mit dem Zauberer von Oz vergleicht Bhagwans ehemaliger Bodyguard Hugh Milne seinen langjährigen Chef. In „Guru“ erzählt er das Ende des gleichnamigen Filmklassikers nach, in dem Dorothy erkennt, dass die Allmacht des Magiers nur Projektion war. Hinter dem großen bedrohlichen Schatten auf der Leinwand versteckte sich nur ein kleiner Greis. Als bösen Menschen will sich der alte Mann von dem Mädchen aber nicht schelten lassen: „Nein, ich bin ein sehr guter Mensch. Ich bin nur ein sehr schlechter Zauberer.“

So ganz will man als Zuschauer Milnes Vergleich nicht folgen. Der Dokumentarfilm von Sabine Gisiger und Beat Häner legt einen anderen Schluss nahe: Ein großer Magier war Bhagwan ohne Zweifel, aber was für ein Mensch er war, weiß offenbar niemand so genau.

Anders als mit Magie lässt sich aus heutiger Sicht kaum erklären, wie der Mann, der sich selber „Der Göttliche“ („Bhagwan“) nannte, es geschafft hat, Tausende im Schichtdienst für sich schuften zu lassen, um eine Flotte von 97 Rolls Royce aufzubauen (sein Ziel: ein Eintrag ins „Guinnessbuch der Rekorde“). Als Gegenleistung fuhr er einmal am Tag mit einer seiner Luxuskarossen durch ein Spalier von Jüngern, winkte freundlich und ließ den Wagen mit Blumen beregnen – an deren Verkauf er selbstverständlich auch verdiente.

Noch mehr Zauberei gleicht, dass Baghwans ehemalige Sekretärin und rechte Hand Sheela Birnstiel immer noch Bilder ihres ehemaligen Gurus aufhängt, obwohl der sie unter anderem beschuldigte, ihren Mann ermordet zu haben. Ein falscher Vorwurf, aber für ihre Taten als Präsidentin der Rajneesh Foundation International wurde sie in den 80er Jahren zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Birnstiel und Bodyguard Milne sind die Kronzeugen des Films, mit Hilfe ihrer Aussagen und umfangreichem Archivmaterial versucht „Guru“ dem Phänomen Baghwan auf die Spur zu kommen. Die Person des Sektengründers bleibt dabei eine seltsame Leerstelle. Aussagekräftiges Filmmaterial ist rar, und die beiden Zeitzeugen haben einen sehr befangenen Blick auf ihn. Die Filmemacher mystifizieren Bhagwan zusätzlich, indem sie seine Auftritte im Archivmaterial durch extreme Zeitlupen verfremden oder ihnen drohende Synthiesounds unterlegen.

Nachdem die erste Hälfte von „Guru“ weit mehr über die Jünger als ihren spirituellen Führer vermittelt hat, nimmt die zweite Hälfte deutlich an Fahrt auf: Gegen Ende gelingt es „Guru“, in einigen Szenen schließlich doch, hinter die Kulissen von Poona zu gucken. Und da findet sich tatsächlich der Bhagwan als ein – mit Valium und Lachgas vollgepumpter – kleiner alter Mann.

SVEN VON REDEN

■ „Guru – Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard“. Regie: Sabine Gisiger, Beat Häner, Dokumentarfilm, Schweiz 2010, 98 Min.

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