Alle Wege führen nach Moskau

KRIM Sämtliche Flüge bis auf Reisen in die russische Hauptstadt sind gestoppt. Das Krim-Parlament unterschreibt schon einmal die „Unabhängigkeitserklärung“

„Die ukrainische Flotte wird in vollem Umfang verstaatlicht“

SERGEJ AXJONOW, KRIM-REGIERUNGSCHEF

VON THOMAS GERLACH

BERLIN taz | Fünf Tage vor dem umstrittenen Referendum hat das prorussische Parlament auf einer Sitzung am Dienstag die Krim formell bereits für unabhängig erklärt. 78 von 81 Abgeordneten des Parlaments hätten die „Unabhängigkeitserklärung der autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol“ angenommen, teilte der Pressedienst des Parlaments mit. Allerdings lassen sich Abgeordnetenzahl und Abstimmungsverhalten der ursprünglich hundert Sitze großen Volksvertretung nicht mehr unabhängig überprüfen. Der Beschluss soll die rechtliche Grundlage für einen Beitritt zu Russland nach dem Referendum über die Abspaltung von der Ukraine am Sonntag schaffen.

Fakten schaffen die prorussischen Machthaber um Regierungschef Sergej Axjonow und Parlamentspräsident Konstantinow auch beim Verkehr. Mit Ausnahme der Verbindungen aus Moskau sind alle Flüge nach Simferopol ausgesetzt worden. Prorussische Bewaffnete übernahmen am Dienstag die Kontrolle über den größten Flughafen der Krim und sagten sämtliche Flüge bis auf jene aus der russischen Hauptstadt ab. Einer Maschine aus Kiew wurde die Landeerlaubnis verweigert. Sie musste umkehren. Die ukrainische Fluggesellschaft Ukraine International annulierte am Dienstag und Mittwoch alle Flüge von Kiew nach Simferopol. Der Eisenbahn- und Busverkehr von der Halbinsel sei jedoch noch nicht beeinträchtigt, berichten Reporter in Simferopol.

Die Führung der Krim erklärte am Dienstag zudem, dass ukrainische Kriegsschiffe beschlagnahmt werden. Die Fahrrinne in Sewastopol sei bereits blockiert, bestätigte Regierungschef Axjonow gegenüber der russischen Agentur Ria Nowosti. „Die dortige ukrainische Flotte wird in vollem Umfang verstaatlicht – wir sind nicht im Begriff, die Schiffe herauszugeben.“

Axjonow kündigte weiterhin an, dass auch Kraftwerke und der Energieversorger Tschernomorneftegas beschlagnahmt würden. „Es gibt eine ganze Liste von derzeit ukrainischen Objekten.“ Privateigentum sei nicht betroffen. Ukrainische Soldaten, die nicht die Seite wechseln wollten, müssten die Krim verlassen.

Um Renten und Gehälter auszuzahlen, habe Russland der Krim außerdem eine Soforthilfe von 1 Milliarde Dollar in Aussicht gestellt, erklärte Axjonows Vize Rustam Temirgalijew. Kiew hatte der Krim am Wochenende den Geldhahn zugedreht.

Unter den rund 300.000 Krimtataren wächst die Sorge vor Übergriffen. In krimtatarischen Orten patrouillieren Freiwillige. In der Region Jewpatorija sollen sie dabei auch russische Nachbarn unterstützen. Russland bemüht sich verstärkt um das Wohlwollen der Krimtataren. Am Dienstag ist Mustafa Dschemilew, der langjährige Vorsitzende des Medschlis, zu Gesprächen nach Moskau abgereist, meldeten unabhängige Agenturen von der Krim. Initiator der Reise sei demnach Mintimer Schaimijew, der Expräsident der russischen Teilrepublik Tatarstan. Die Reise Dschemilews, der der einzige krimtatarische Abgeordnete in Kiew ist, sei mit Einverständnis der ukrainischen Regierung erfolgt.