Keine Stunde der Opposition

In der Debatte über den Etat der Kanzlerin zeigen sich die drei Kleinparteien uneins über den Libanon-Einsatz der Bundeswehr. Die Grünen halten sich eine Zustimmung offen, die FDP kritisiert das unklare Mandat – und die Linke fürchtet Terror im Inland

AUS BERLIN BETTINA GAUS

Mit einer launigen Zehn-Minuten-Rede gab der FDP-Abgeordnete Rainer Brüderle den Conférencier. Angela Merkel regiere nach dem „Pippi-Langstrumpf-Prinzip“. Motto: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!“ Sie und Vizekanzler Franz Müntefering hätten bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz „eine Art Hochamt des neuen Traumpaares“ zelebriert. Dabei seien die Auflösungserscheinungen der großen Koalition „schon mit Händen greifbar“.

Frontalangriffe auf die politischen Gegner eignen sich gut, um ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen, und so schien dieser Auftakt der Debatte über den Etat der Kanzlerin gut zu der Tradition zu passen, dass diese parlamentarische Auseinandersetzung die Stunde der Opposition ist. Aber eine Opposition hat es eben nicht leicht in Zeiten einer großen Koalition – schon gar nicht dann, wenn sie uneins ist. Dann fällt es schwer, einen überzeugenden Gegenentwurf zu der Politik der großen Mehrheit des Bundestags zu transportieren.

Das zeigte sich auch gestern. Dabei waren die Voraussetzungen für FDP, Bündnisgrüne und Linkspartei eigentlich gar nicht ungünstig: Trotz großer programmatischer Unterschiede sind sich alle drei Fraktionen im Bereich der Innenpolitik in vielen Fragen einig. Sie lehnen die Erhöhung der Mehrwertsteuer ab, die der grüne Fraktionsvorsitzende Fritz Kuhn als „unsozial, unnötig und ökonomisch falsch“ bezeichnete. Für verfehlt halten sie auch die Eckwerte der geplanten Gesundheitsreform. Redner aller Oppositionsparteien warfen der Regierung vor, insgesamt kein klares Konzept und keine klaren Ziele zu verfolgen.

Aber es ging bei der Debatte über den Kanzleretat eben nicht nur um Innenpolitik. Sehr viel breiteren Raum als in vielen vorangegangenen Jahren nahm die Außenpolitik ein – insbesondere die Diskussion über Auslandseinsätze der Bundeswehr. Und in diesem Bereich ist die Opposition untereinander völlig uneinig, obwohl alle drei Fraktionen der Politik der Bundesregierung kritisch gegenüberstehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte im Zusammenhang mit dem möglichen Marine-Einsatz im Nahen Osten zur Geduld. Es sei besser, zwei Tage zu warten und die Entscheidung sorgfältig vorzubereiten, um allgemeines Einverständnis zu erzielen. Sie betonte ein weiteres Mal, dass deutsche Bodentruppen in der Region „nicht zur Debatte“ stünden. Die Regierungschefin kritisierte, dass ihrer Ansicht nach insgesamt zu viel über die militärische Komponente und zu wenig über den notwendigen politischen Prozess geredet werde.

Das sieht die Opposition genauso. Aber die Fraktionen ziehen nicht dieselben Konsequenzen daraus. Für die Grünen hielt Fritz Kuhn die Entscheidung über die Zustimmung zu einem Libanon-Einsatz der Bundeswehr noch offen: „Da kommt es wirklich aufs Detail an.“ Linkspartei und FDP hingegen wollen keinesfalls zustimmen – aus unterschiedlichen Gründen.

Der FDP-Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle warnte vor einem unklar formulierten Mandat und vor der Gefahr, in den Konflikt hineingezogen und unfreiwillig selbst zur Kriegspartei zu werden. Er erinnerte daran, dass es bislang auch aus historischen Gründen Staatsräson gewesen sei, keine bewaffneten deutschen Soldaten in den Nahen Osten zu schicken.

Oskar Lafontaine, Fraktionschef der Linkspartei, begründete seine Position vor allem mit der Sorge um die Sicherheit der Bundesrepublik. Er warf der Regierung vor, mit ihrer Außenpolitik die Terrorgefahr im Inland zu erhöhen. Sein früherer Parteifreund, der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck, reagierte ungewöhnlich scharf: „Herr Lafontaine, Sie haben eine Rede gehalten, die ich für beschämend halte fürs Hohe Haus.“