bürgerentscheid
: Die Angst vor dem Volk

Die Bürger sollen entscheiden? Bloß nicht. Nur Politiker wissen, was gut ist für das Land, die Stadt, die Menschen. Das scheint in etwa den Gedanken zu entsprechen, die manchem Politiker durch den Kopf schwirren. Auch das Verhalten des Coesfelder Bürgermeisters Heinz Öhmann zeigt, wie wenig er den Menschen in seiner Stadt zutraut. Diesen Sonntag sollen sie über ein von Politikern beschlossenes Verkehrskonzept abstimmen. Der Plan der Stadt droht zu scheitern. Was Öhmann natürlich nicht passt. Also rief er im Internet zum Boykott des Entscheids auf. Aus Versehen. Sagt er.

KOMMENTAR VON BORIS R. ROSENKRANZ

Doch auch wenn der veröffentlichte Text bloß eine „Rohfassung“ (Öhmann) war, zeigt das zumindest eins: Der Christdemokrat hat mit dem Gedanken gespielt, über einen Boykott zum politischen Ziel zu gelangen – statt über eine argumentative Auseinandersetzung mit den Gegnern der Ratspläne. Das ist dumm. Und lähmt die ohnehin lahme Entwicklung direkter Demokratie in Deutschland. Sicherlich werden die Bürger in einer repräsentativen Demokratie wie der deutschen nie über alles direkt abstimmen. Und doch sind Volks- und Bürgerentscheide eine wichtige Ergänzung bei bestimmten Themen – wenn Politiker wie Öhmann fair für ihre Sache kämpfen, statt mit Tricks zu arbeiten. In diesem Fall: Die Leute von der Abstimmung fern zu halten, damit das Abstimmungsquorum von 20 Prozent nicht erreicht wird.

Öhmann ist in schlechter Gesellschaft: Immer wieder haben Politiker in NRW versucht, Bürgerentscheide zu boykottieren. Das zeugt von Angst vor dem gemeinen Volk. Doch: Was spricht dagegen, wenn die Bürger, wie in Coesfeld, darüber abstimmen, ob Straßen in der Innenstadt für den Verkehr gesperrt werden? Oder ob man andernorts Schwimmbäder baut, Rathäuser saniert? Nichts spricht dagegen. Und am Sonntag entscheidet sich, ob sich Öhmann mit seinem Appell einen Gefallen getan hat. Oder ob es ein Eigentor war.