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: Neulich in der Terrorstraße

Drei Tage vor dem elften September ist es ruhig in der Marienstraße in Harburg. Dass hier die Journalisten Schlange standen, ist fünf Jahre her. Heute ist das Haus Nummer 54, in dem der Todespilot Mohammed Atta gelebt hat, wieder ein ganz normales, blassgelbes Wohnhaus mit weißer Eingangstür. An manchen Klingelschildern weist eine dreckige Klebespur darauf hin, dass hier schon viele Menschen ein- und ausgezogen sind.

Dabei ist die Marienstraße eine gemütliche Einbahnstraße, mit einer Eckkneipe an einem Ende und einem Kiosk am anderen. Dazwischen gibt es Altbauten gemischt mit Nachkriegshäusern, moderne Balkone mit grünen oder blauen Gittern, einen Steuerberater und eine Praxis für Krankengymnastik.

Freitags morgens fährt die Müllabfuhr langsam über das holprige Kopfsteinpflaster. Ein Mann in Orange läuft vor, klingelt an jeder Tür und stellt die Tonnen aus den Fluren auf den Bürgersteig. Doch bevor er zur 54 kommt, biegt abrupt ein silberner Twingo in die Marienstraße ein und zwängt sich in eine Parklücke. Ein mitteljunger Mann in modischen Jeans und Kaki-Jacke springt aus dem Wagen. In der linken Hand hält er eine schmale, silberne Kamera. Hektisch sieht er sich um, hastet rüber zum blassgelben Haus, bleibt krumm stehen, legt den Kopf schief, setzt die Kamera an und drückt sofort ab. Schneller als er gekommen ist verschwindet der Mann in seinem Twingo und ist weg, bevor die Müllabfuhr ihn eingeholt hat. SILKE BIGALKE