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PRESS-SCHLAGKeine Krawatte für 05

MAINZ WIRD MEISTER Oder wahrscheinlich dann doch eher nicht. Ein melancholischer Blick in die Vergangenheit schafft Klarheit

Es klang, wie es in den dreißiger Jahren geklungen haben muss. Oder wie in neuen Filmen, die sich geschichtlich ins Amerika der Vierziger versetzen, mit sepiafarbener Atmosphäre und Männern ausschließlich in Anzügen (also bevor der Kapitalismus die legere Kleidung erfand), die sich Baseballspiele anhörten.

Aber es war kein Volksempfänger, sondern das Subnotebook, das in der Küche dosig vor sich hin quäkte. Aus den Stadien dieser Republik. Mit Toren kurz vor Schluss. Via Internetradio.

Ist man krank, ist man im Geheimnis, also abgeschnitten von den sozialen Dingen und Orten, auch von der Fußballkneipe mit dem Sky-Aufkleber. Und „Sportschau“ gucken, ohne die Ergebnisse zu wissen, hat es noch nie gebracht. Selbst in den alten Zeiten gab es immer einen parteiischen Moderator, der mit der Wahl seiner Krawatte das Ergebnis seines Lieblingsklubs anzeigte. Inzwischen werden in der „Sportschau“ wenigstens alle Spiele gezeigt, auch wenn man das Gefühl hat, mehr Baumarktspots als Tore zu sehen zu bekommen. Die Tore der Mainzer sahen aber schon richtig gut aus. Die der Dortmunder auch.

Aber es ist ja noch Anfang der Saison, und das ist ja so ein bisschen wie am Anfang der Schulzeit. Erst sind alle gleich gut, dann sind ganz andere Vertreter cool als später, und an der Spitze befinden sich Leute, die sich späterhin von ihrem frühen Grundschulruhm nie wieder erholt haben werden (ha, Futur 2!). Die kleinen Fixen können die großen Behäbigen schlagen (2:1), weil Schnelligkeit und Klugheit noch hervorragend zusammenlaufen. Während sich die eitlen Reichen noch nicht gefunden haben, um sich gegenseitig den Weg nach oben zu bereiten. Es kann natürlich sein, dass Mainz 05 erst den Saisonstartrekord der Lauterer übertrumpft und am Ende den Meistertitel mit Dortmund und Hoffenheim ausmacht. Wahrscheinlich ist das aber nicht. Wahrscheinlicher ist, dass die Behäbigen verstärkt ihre Abgebrühtheit ausspielen werden, die ganz schrecklich Behäbigen (Hamburg, Stuttgart) sich im Spätherbst ihrer uninspirierten Trainer entledigen und dann sagenhafte Serien hinlegen, und den kleinen Fixen geht die Muffe oder die Puste aus oder werden vom Verletzungspech niedergestreckt. Oder nach der Halbserie leer gekauft. Oder haben sich dermaßen in Räusche gespielt, dass unter Hotelzimmern mit Telefonmädchenservice, Puderdosen und dicken Schlitten im Fuhrpark nichts geht.

Lautern ist in der Saison, in der sie die ersten sieben Spiele gewonnen haben, schließlich auch nicht Meister geworden. Sky hieß damals noch Premiere und Subnotebooks waren unerschwinglich. Meister wurde am Ende übrigens tatsächlich der BVB. Kaiserslautern aber nur Siebter. RENÉ HAMANN

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