Einfach zumHohllachen

11. September – was gibt‘s da zu lachen? Viel. Das Köln Comedy Festival und die scheintote Spaßgesellschaft

Mit dem 11. September ist es ein bisschen wie mit dem 24. Dezember. Jedes Jahr, so scheint es, liegen Lebkuchen und Schokoweihnachtsmänner wieder etwas früher in den Auslagen der Geschäfte. Und jedes Jahr, so ist es, wird immer eher auf den New Yorker Terroranschlag im Jahre 2001 geblickt. Seit Wochen sind die Gazetten und Kanäle verstopft mit Rückblicken, Porträts, mit Trauer und Blabla. In der Glotze schießen die Flugzeuge wieder ohne Unterlass in die Türme des World Trade Centers. Eine Endlosschleife. Kawumm. Das Böse ist zurück. Und war nie weg.

An dieser Stelle fällt einem Peter Scholl-Latour ein und wie er am Abend des 11. September aus dem Nichts kam, um das „Ende der Spaßgesellschaft“ zu verkünden. Alt, grau und wissend sah Scholl-Latour aus. Und der sofort einstimmende Chor der „Kommentarwichsmaschinen“ (Max Goldt) trötete ein Lied, dass mit einem bräsigen Satz endete: Nie wieder, hieß es, werde es sein wie es einmal war. Herrje, war man verblüfft. Und freilich furchtbar geschockt. Aber nicht des Satzes wegen, auch nicht wegen Scholl-Latour und so, sondern weil Harald Schmidt eine Woche pietätspausierte. Das war ein eindeutiges Indiz: Es gab eine Krise.

Aber gut. Was ist denn nun mit der Spaßgesellschaft? Wird auf dieser Welt, fünf Jahre Post-Osama, noch gelacht? Also so richtig, laut, herzlich, auch mal südlich der Gürtellinie? Die Antwort: ein Gackern, ein Prusten. Natürlich wird gelacht. Und wie. Die Vorarbeiter der Spaßgesellschaft, die so genannten Comedians, leben immer noch nicht von Hartz IV, auch wenn es die meisten von ihnen verdient hätten. Wie das Lachgeschäft boomt, zeigt sich in der Glotze: Da genügt ein Tastendruck auf der Fernbedienung und die Parallelwelten werden sichtbar. Hier die Tragödie, da die Spaßbacken. Hier Trauer, da Witz. Hier Bush, da Oschmann. So ist die Lage. Prekär. Es gibt Momente, da wünscht man sich, Scholl-Latour hätte Recht gehabt.

Einer dieser Momente ist ein Mensch und heißt Mario Barth. Im Oktober tritt der Berliner beim Köln Comedy Festival auf und manifestiert dort, dass er die derzeit erfolgreichste Spaßbacke des Landes ist. Sein Auftritt in der 20.000 Menschen fassenden Kölnarena ist bereits ausverkauft. Weshalb Barths Humor Erfolg hat, obwohl er sich nahezu ausschließlich aus abgelutschten Mann-Frau-Klischees speist, ist allerdings schwerer zu beantworten als die Frage, ob Bin Laden noch lebt.

Am Programm des Kölner Comedy Festivals zeigt sich, dass der Ulk so lebendig ist wie nie. Das Gros jener, die 2001 mit der Spaßgesellschaft hätten untergehen müssen, hat überlebt. Michael Mittermeier. Atze Schröder. Helge Schneider. Und andere wiederum sind nach 2001 erst richtig zu Ruhm gelangt. Kurt Krömer. Guido Cantz. Und wie sie alle heißen. Das Bedürfnis, zwischen Terror- und Kriegsmeldungen sich mal wieder scheckig zu lachen, wächst, während die Qualität des Gebotenen stetig sinkt. Natürlich: In Köln beharrt man darauf, auch Literatur (!) im Angebot zu haben, also Wiglaf Droste oder Harry Rowohlt. Das aber sind Nischen, die bei dem RTL-Festival von WDR 5 präsentiert werden. Zugpferde sind die Schriftsteller gewiss nicht.

Aber: Warum plärren? Das Volk will sich kollektiv den Bauch halten und dabei möglichst wenig denken. Mal abschalten. Die Probleme beiseite schieben. Privatsender-Comedy kucken ist deshalb wie exzessiv Saufen: Man lacht ohne wirklichen Grund und irgendwann ist man hohl in der Birne.

BORIS R. ROSENKRANZ

Köln Comedy Festival5. bis 21. Oktober 2006Infos: 0221-2801