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Die normative Kraft des Männlichen

Sehenswertes Ärgernis: Susanne Brahms und Michaela Herold erzählen Bremens Historie als Geschichte toller Hechte

Wäre der Titel nicht, könnte man das Ärgernis übersehen. Dann würde man es vielleicht bloß als ganz solides Stück Geschichts-Fernsehen loben, was Susanne Brahms und Michaela Herold da abliefern. Bremens Historie in zweimal 45 Minuten TV-Film zu klemmen, ist schwierig. Und viele Sandbänke haben die Autorinnen kurzweilig umschifft.

Dort, wo sie einer Episode mehr Platz und Tiefe gönnen wird der Doku-Zweiteiler sogar richtig erhellend: Zum Beispiel, wenn sie die Reihe großer Bremer Pleiten mit dem schuldhaften Konkurs der Nordwolle beginnen. Oder, wo sie das bis heute gepflegte Selbstbild der Hansestadt als eines Horts des NS-Widerstands sehr unaufgeregt demontieren.

Zerschellt ist das Filmchen aber an einer Klippe, die sich die Autorinnen selbst geschaffen haben: Ihre Arbeit haben Brahms und Herold „Bremer Freiheit“ genannt. So wie Rainer Werner Fassbinder 1972 sein epochales Fernsehspiel – das die Geschichte der Giftmörderin Gesche Gottfried nicht als Kriminalfall, sondern Symptom einer Männergesellschaft aufgreift. Womit er die Nachtseite nicht nur, aber besonders der bremischen Geschichte bestimmt: Außer durch Verbrechen haben Frauen und andere Unterdrückte hier keine Möglichkeit gehabt, historische Figur zu werden – weil die normative Kraft des Patriarchats sie, sobald sie etwas tun, als Abweichung brandmarkt.

Wer das nicht als gegeben hinnehmen und fortschreiben will, müsste – nein, nicht zwangsläufig auf die Figur Gesche Gottfrieds zurück kommen. Das Brahms und Herold die auslassen ist ja völlig legitim. Aber wichtig wäre es doch gewesen, der verschütteten und verdrängten Seite der Landesgeschichte wenigstens eine starke Stimme zu verleihen. Als Kontrapunkt zu den tollen Kaufmanns und Bürgermeisterhechten, deren Lebensläufe und Erfolge Brahms und Herold intelligent ins Bild rücken. Dass die Autorinnen das vielleicht überlegt, aber nicht geschafft haben, lässt sich am deutlichsten an den weiblichen Figuren erkennen, die sie auftreten lassen.

Die eine, das ist Marie Mindermann. Zu der fällt ihnen ganz offensichtlich nichts ein: Eine Spielszene zeigt sie im Knast in der Ostertorwache. Die Kamera adoptiert dabei die Perspektive des Wärters: Es wird durchs Schlüsselloch geschaut, kurz anerkennend etwas aus Mindermanns kämpferischen Flugschriften zitiert – und dann behauptet, dass sie nach ihrer politischen Haft 1852 nur noch plattdeutsche Verse publiziert habe. Was erstens falsch ist – weil sie den Frauenerwerbsverein gegründet und fürs Frauenwahlrecht agitiert hat. Und zweitens das Engagement gegen die Pfeffersack-Oligarchie zur folgenlosen Episode herabwürdigt. Die Kaufmannstraditionen hingegen, das ist wahre Nachhaltigkeit! Tolle Export-Import-Unternehmen die es seit 200 Jahren gibt. Na danke.

Für die zweite Frauenrolle haben die beiden Autorinnen die Schauspielerin Gabriela Maria Schmeide verpflichtet. Die führt von Station zu Station. Charmant. Und mit Augenzwinkern. Mal ist sie Page, mal Dienstmagd, mal Kellnerin. Und in der Gegenwart: City-Hostess. bes

NDR 3-Fernsehen, heute & 19. 09.23-23.45 Uhr

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