Teenies würden Rot-Grün wählen

Bei einer stadtweiten Testwahl degradieren Jugendliche die CDU weitgehend zur Splitterpartei. In einigen Bezirken feiert die NPD Erfolge, in Marzahn-Hellersdorf wird sie sogar zweitstärkste Kraft. Momper: Das ist „bestürzend“

Eine rot-grüne Koalition würde Berlin wohl regieren, wenn es nach den jungen Berlinern ginge, die bereits am Freitag gewählt haben – beim Jugendwahlprojekt U 18. Dessen Ergebnisse sind deutlich: Die SPD führt souverän, die CDU hingegen erreicht nur in fünf Bezirken zweistellige Ergebnisse. In Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf erzielt hingegen die NPD hohe Ergebnisse. In Marzahn-Hellersdorf wurde sie sogar zweitstärkste Partei.

Wählen durften alle Berliner unter 18, die meisten Wähler waren zwischen 14 und 16, sagt Olaf Schulze von der U-18-Geschäftsstelle. Das Projekt wurde von der Senatsverwaltung gefördert. Es fand in ähnlicher Form bereits bei der Bundestagswahl statt. Ziel ist es, Jugendliche für Politik zu begeistern. Sie konnten vor allem in Schulen und Jugendeinrichtungen fast authentische Wahlzettel abgeben.

Schulze sieht in den Ergebnissen ein politisches Signal: Hohe Anteile für die NPD, wie in Marzahn-Hellersdorf, seien eine Warnung an die Politik. Dort gebe es einen dringenden Bedarf an zusätzlicher Jugendarbeit. Andererseits zeige das Ergebnis auch, dass Jugendliche nicht überwiegend radikal wählten. In den betroffenen Bezirken seien die Rechten auch bei der übrigen Bevölkerung stark; es sei zu befürchten, dass die BVV-Wahl ähnliche Ergebnisse bringe.

Einer dieser Bezirke ist Marzahn-Hellersdorf, wo die NPD mit 13,7 Prozent fast doppelt so viele Stimmen holte wie die CDU mit 7,1 Prozent. Eine Tendenz für die kommende Wahl will der CDU-Abgeordnete Mario Czaja darin auf keinen Fall sehen – weder für seine Partei noch für die NPD. Dafür seien die 700 jungen Wähler schlicht zu wenige. Dabei sorgt er sich mehr über das gute Abschneiden der Rechten als über die CDU-Niederlage: „Dass wir bei den Jüngeren nicht besonders erfolgreich sind, ist kein großes Geheimnis.“ Dass die NPD in Marzahn-Hellersdorf so gut abschnitt, erklärt er auch mit der Verteilung der U-18-Wahllokale. Die seien vor allem in bekannten rechten Hochburgen.

Diese Verteilung bestätigt U-18-Mitarbeiterin Ina Herbell: „Die meisten Jugendclubs in diesem Bezirk liegen in den Plattenbaugebieten.“ In den Einfamilienhaussiedlungen in Kaulsdorf gebe es kaum solche Einrichtungen. Herbell ist überzeugt, dass es im Bezirk viele junge Protestwähler gibt. Sie zeigt sich über das hohe NPD-Ergebnis enttäuscht. Und sauer ist sie über das geringe Interesse der Schulen. Gerade Gymnasien hätten kaum teilgenommen.

Von den Wahllokalen hing bei der U-18-Wahl einiges ab. Die teilnehmenden Jugendeinrichtungen und Schulen waren selbst für die Wahlvorbereitung zuständig, so Schulze. Dass in manchen Bezirken, wie in Mitte, Lichtenberg oder Zehlendorf, mehr Jugendliche gewählt hätten als anderswo, liege also nicht immer daran, dass die Jugendlichen dort politisch besonders interessiert seien. Es könne auch an der höheren Dichte und intensiveren Werbung der Wahllokale liegen.

Die Rolle der Wahllokale hält auch U-18-Schirmherr Walter Momper (SPD) für besonders wichtig. Dass das Projekt vor allem in Jugendklubs aktiv ist, sieht der Präsident des Abgeordnetenhauses als Stärke. So würden besonders Jugendliche mit schwierigen Hintergründen angesprochen, die sich oft kaum für politische Inhalte interessierten. Über die großen Erfolge der NPD in einigen Bezirken ist Momper „sehr beunruhigt“. Es sei zwar schon länger bekannt, dass Rechte bei bestimmten Jugendlichen starken Zuspruch erfahren würden. Dennoch seien deren Ergebnisse „bestürzend hoch“. KERSTIN SPECKNER