DIE WORTKUNDE
:

Um ihn von einem Verfahren auszuschließen, muss ein Richter nicht befangen sein. Es genügt, dass Verfahrensbeteiligte „bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass haben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln“.

Befangen ist ein Richter, wenn er in seiner Entscheidung nicht frei ist. Ursprünglich bezog sich das Wort, das aus dem Althochdeutschen bifahan entstanden ist, auf Zäune, die ein Grundstück „umfangen“. Inzwischen meint Befangenheit aber auch die Voreingenommenheit in einer bestimmten Sache.

Wegen Besorgnis der Befangenheit darf nun zum Beispiel der Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof nicht an den Verhandlungen zum Kopftuchverbot an nordrhein-westfälischen Schulen teilnehmen. Geklagt haben eine angestellte Lehrerin und eine Sozialpädagogin, die in der Schule ein Kopftuch oder ersatzweise eine Wollmütze trugen und deshalb abgemahnt und gekündigt wurden.

Sie beschwerten sich beim Bundesverfassungsgericht, weil das Schulgesetz von NRW die „Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen“ ausdrücklich vom Verbot ausnimmt. Ein Regelungskonzept, das aus Baden-Württemberg übernommen wurde, wo es einst ausgerechnet der Hochschullehrer Ferdinand Kirchhof (im Auftrag der Landesregierung) entwickelt hatte.

Die anderen sieben Richter des Ersten Senats entschieden nun, dass es wirklich etwas blöd aussieht, wenn Kirchhof über die Verfassungskonformität seines eigenen Ungleichbehandlungskonzeptes mitentscheiden würde. Auch Kirchhof selbst hatte Bedenken.

Fragt sich nur, ob die anderen Richter ganz unbefangen sind, wenn sie nun prüfen sollen, ob sich ihr Kollege Kirchhof – der zugleich Vorsitzender ihres Senats ist – ein verfassungswidriges Gesetze ausgedacht hat.

CHRISTIAN RATH