DIE ZERLEGTE ZAHL
: 62 Prozent

Agrarminister Schmidt redet kranke Bäume gesund

Wie Bundesagrarminister Christian Schmidt den am Montag veröffentlichten Waldzustandsbericht verkauft hat, ist ein schönes Beispiel dafür, wie man Statistiken verdrehen kann. Die Botschaft des CSU-Politikers lautete: „Der Zustand des Waldes in Deutschland hat sich 2013 weiter verbessert.“ In der Welt am Sonntag verstieg er sich sogar zu der Behauptung: „Das ist eine bemerkenswerte Entwicklung, wenn man sich erinnert, dass Waldsterben in den 80er Jahren das Stichwort schlechthin war.“

Um seine Darstellung zu belegen, hat sich Schmidt vor allem zwei Zahlen aus dem Bericht herausgepickt: Der Anteil der Bäume, deren Kronen sich „deutlich“ ausgedünnt haben, ist von 25 Prozent im Jahr 2012 auf 23 Prozent gefallen. An dieser „Kronenverlichtung“ lesen Förster ab, wie stark ein Baum geschädigt ist. Im Durchschnitt fehlen den rund 10.000 für die Stichprobe untersuchten Kronen 18,8 Prozent der Blattmasse. Das sind 0,4 Prozentpunkte weniger als 2012.

Letzterer Rückgang ist lächerlich gering. Und wer nur auf die Kategorie „deutliche Kronenverlichtung“ schaut, ignoriert die schwächer, aber eben auch geschädigten Bäume. Aussagekräftiger ist deshalb der Anteil aller ramponierten Bäume: Der ist keinesfalls zurückgegangen, sondern von 61 auf 62 Prozent leicht gestiegen. „Unter Erholung lässt sich ein Anstieg im Krankenstand der Waldbäume – und sei er noch so gering – nun wahrlich nicht verbuchen“, sagt Rudolf Fenner von der Umweltorganisation Robin Wood.

Eigentlich ist es unseriös, die aktuellen Zahlen immer nur mit dem Vorjahr zu vergleichen. Denn wie es dem Wald geht, hängt auch vom Wetter ab, das ja jedes Jahr schwankt. Besser sind längerfristige Vergleiche, zum Beispiel mit den von Schmidt erwähnten 1980er Jahren, als alle Welt vom Waldsterben redete. Nur: Damals stuften die Förster weniger als 60 Prozent der Bäume als geschädigt ein. Fenner: „Dem Wald geht es heute also schlechter.“

Robin Wood macht dafür neben dem Klimawandel vor allem die Landwirtschaft verantwortlich, für die Minister Schmidt zuständig ist. Deren Tierhaltung stoße den meisten Stickstoff aus, den der Regen in die Wälder spüle und der dort die Böden versauere. Kein Wunder, dass Schmidt versucht, den Wald gesundzureden. JOST MAURIN