Worum geht es in dem Prozess gegen Becker?

Um welches Verbrechen geht es?

Im April 1977 tötete ein RAF-Kommando den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback, seinen Fahrer und einen Justizbeamten. An einer Ampel in Karlsruhe fuhr ein Motorrad neben Bubacks Limousine, die Person auf dem Sozius feuerte mit einer Maschinenpistole ins Wageninnere. Im gleichen Jahr wurde auch Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer entführt und ermordet.

Was wird Verena Becker vorgeworfen?

Die Bundesanwaltschaft sieht Becker aus drei Gründen als Mittäterin des Anschlags. Vor der Tat habe sie die anderen RAFler gedrängt, Buback als Opfer auszuwählen. Am Tag vor dem Mord sei sie dabei gewesen, als in der Karlsruher Innenstadt der Tatort ausgespäht wurde. Und nach der Tat habe sie beim Verschicken der Bekennerschreiben geholfen. Becker war im August 2009 verhaftet worden, nachdem auf archivierten Selbstbezichtigungen ihre DNA-Spur identifiziert werden konnte.

Hat Becker auch geschossen?

Das ist die entscheidende Frage dieses Prozesses. Die Bundesanwaltschaft sieht hierfür keine ausreichenden Beweise. Der Nebenkläger Michael Buback ist „zu 99 Prozent“ davon überzeugt, dass Becker seinen Vater getötet hat. Er beruft sich auf zahlreiche Zeugenaussagen, die eine zierliche Person auf dem Motorrad gesehen haben. Außerdem hatte sie die Tatwaffe bei sich, als sie mehrere Wochen später in Singen festgenommen wurde. Zudem sei laut einer alten BKA-Aufstellung ein Haar Beckers in einem Helm der Täter gefunden worden.

Warum reichen der Bundesanwaltschaft diese Beweise nicht?

Die Behörde hält andere Zeugen für glaubwürdiger, die auf dem Motorrad zwei Männer gesehen haben. Außerdem sei die Tatwaffe Günter Sonnenberg zuzurechnen, der mit Becker verhaftet wurde. Und die BKA-Dokumentation sei in der Haarfrage fehlerhaft, es habe nie ein entsprechendes Gutachten gegeben.

Hat Verena Becker mit dem Verfassungsschutz kooperiert?

Ja. Gesichert ist dies allerdings nur für die Jahre 1981/82, als Becker in der Haft umfassende Aussagen gegenüber dem Geheimdienst machte. Michael Buback geht jedoch davon aus, dass Verena Becker schon viel früher mit dem Verfassungsschutz kooperierte und dieser deshalb Beckers Beteiligung am Attentat von 1977 verschleierte.

Droht Becker eine hohe Strafe?

Sollte sich nicht erweisen, dass sie geschossen hat, dürfte sie mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Im Prinzip steht auf Mord lebenslange Haft mit einer Mindestbußzeit von 15 Jahren. Verena Becker war allerdings bereits 1977 wegen einer Schießerei bei ihrer Festnahme zu „lebenslänglich“ verurteilt worden. Davon hat sie zwölf Jahre verbüßt – das dürfte angerechnet werden.

Sollte Becker als Schützin verurteilt werden, müssten dann andere RAF-Prozesse neu aufgerollt werden?

Nein. Als Schütze galt den Ermittlern bisher Knut Folkerts. Er wurde 1980 wegen seiner Beteiligung am Buback-Mord zu „lebenslänglich“ verurteilt. Allerdings ließ das Urteil offen, welchen Tatbeitrag Folkerts an Tattag konkret leistete. Da Folkerts zumindest an der Vorbereitung des Anschlags beteiligt war, müsste sein Urteil nicht revidiert werden.

Was ist mit Stefan Wisniewski?

Auch gegen ihn läuft ein aktuelles Ermittlungsverfahren wegen des Attentats auf Generalbundesanwalt Buback. Sein ehemaliger Mitstreiter Peter-Jürgen Boock hält ihn für den Schützen auf dem Motorrad. Auch Verena Becker soll 1981 gegenüber dem Verfassungsschutz Stefan Wisniewski als Schützen bezeichnet haben. Bisher wird Wisniewski jedoch nur durch Zeugen vom Hörensagen belastet. Es gibt keine handfesten Spuren, die auf ihn hindeuten. Die Bundesanwaltschaft hat ihn nicht angeklagt.

CHRISTIAN RATH