Warnschuss aus dem Musentempel

AUS KÖLN CHRISTIANE MARTIN

Klaus Schneider ist begeistert, wenn er vom hawaiianischen Federmantel spricht, der aus tausenden von kleinen roten und gelben Vogelfedern besteht und fast 200 Jahre alt ist. „Das ist eines unserer Spitzenobjekte“, erklärt der Direktor des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums für Völkerkunde. Stolz ist er auch auf das Totenboot der Maori: „Ein erstaunlich gut erhaltenes, wunderbares Exponat.“

Das Problem: Beide Prachtstücke lagern seit über zehn Jahren im Depot des Museums und können nur sporadisch bei Sonderausstellungen gezeigt werden. Das über 100 Jahre alte Museumsgebäude bietet zu wenig Platz für all seine Schätze. Akute Hochwassergefährdung zwang Schneider, Depoträume vom Keller ins Erdgeschoss zu verlagern, sodass sich die Ausstellungsfläche erheblich verkleinerte.

Immerhin dürfen der Ethnologieprofessor und seine Mitarbeiter optimistisch in die Zukunft blicken: Das Museum bekommt ein neues Gebäude, dessen Bau bereits begonnen hat. Im Jahr 2009 soll Einweihung sein. Allerdings sieht Direktor Schneider damit längst nicht alle seine Probleme gelöst. Ihm und seinen Kollegen in den anderen städtischen Museen mangelt es an vielem – unter anderem an Geld. Die Haushaltslage in Köln ist wie eh und je angespannt. Für Kultur werden gerade mal drei Prozent des städtischen Haushaltes ausgegeben. Verglichen mit zehn Prozent in Frankfurt oder gut acht Prozent in Dresden ist das mehr als bescheiden.

Selbstständiges Verwalten

Das war für einige Kölner Medien erst kürzlich wieder Grund genug, die Alarmglocken zu läuten und auf die angeblich katastrophale Zustände in den Kölner Museen aufmerksam zu machten. Birgitt Borkopp-Restle, die Direktorin des Museums für Angewandte Kunst, kann das für ihr Haus jedoch so nicht bestätigen. „Es gibt hier zwar einen Investitionsstau und einige Dinge müssen dringend repariert werden. Aber das ist nichts Dramatisches“, sagt sie. Die Ausstellungsstücke seien jedenfalls alle sicher aufbewahrt. Umso mehr, da der einzige kritische Punkt, die veraltete Klimaanlage, jetzt endlich in Angriff genommen werde. Die im Kölner Museum für Angewandte Kunst ausgestellten Gegenstände sind äußerst anfällig für Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen. Das 1958 errichtete Gebäude bietet kaum natürliche Isolation, und als die fast 20 Jahre alte Klimaanlage im Frühjahr kurzzeitig ausfiel, waren zwar laut Borkopp-Restle keine Kunstobjekte gefährdet, aber es sei ein deutlicher Warnschuss gewesen. „Den haben wir so ans Kulturdezernat weitergegeben“, erklärt die Kunsthistorikerin.

Offensichtlich hatte sie damit Erfolg. Der Kölner Kulturdezernent Georg Quander hat jetzt eine Million Euro Soforthilfe für die Kölner Museen zugesagt. Ein Teil davon fließt in die Klimaanlage des Museums für Angewandte Kunst. „In den Museen ist in den letzten Jahren nur das Allernotwendigste gemacht worden“, gibt der Kulturdezernent unumwunden zu und begründet dies mit der schwierigen Haushaltslage. Er will bis 2010 zusätzliche 13 Millionen Euro in die Museen investieren. „Gleichzeitig werde ich eine Erhöhung des gesamten Kulturetats beantragen: von drei auf sechs Prozent des Stadthaushaltes.“ Auch Quander sieht Köln mit dem bisherigen Mini-Etat am unteren Ende der Skala deutscher Großstädte.

„Köln glaubt, der Dom und die Römer reichen. Da muss man sich nicht groß um Kultur bemühen“, konstatiert Andreas Blühm. Der in Berlin geborene und in Bremen aufgewachsene Kunsthistoriker leitet seit einem Jahr das Wallraff-Richartz-Museum. Vorher war er Ausstellungsleiter am Van-Gogh-Museum in Amsterdam und bringt von dort gute Erfahrungen im selbstständigen Verwalten von Museen mit.

So ist Blühms Hauptwunsch nicht so sehr der nach mehr Geld, sondern nach mehr Flexibilität und Entscheidungsfreiheit. „Das Gebäude ist gerade mal fünf Jahre alt. Hier regnet es nicht rein“, erklärt er. Bauliche Mängel gebe es nicht zu beseitigen, lediglich verbessern könne man Einiges. Beispielsweise fehle ein zweiter Aufzug. Wichtiger ist für Blühm aber, dass er eine zerborstene Fensterscheibe schnell und unbürokratisch auswechseln lassen kann. „Das kann schon mal bis zu anderthalb Jahre dauern“, sagt er, „und das liegt nicht an fehlendem Geld, sondern an unglaublich starren Verwaltungsstrukturen, von denen wir abhängen.“

Deshalb hat sich Blühm für eine Umwandlung des Museums in eine gemeinnützige GmbH als hundertprozentige Tochter der Stadt Köln stark gemacht, was der Stadtrat auch prinzipiell genehmigt hat. „Nur mit der Umsetzung hapert es noch“, so Blühm. Der engagierte Museumsdirektor kann nach eigenen Aussagen immer noch zu wenig effizient arbeiten. Auch seinen Etat möchte er flexibel umschichten können, um beispielsweise Aktionen zu finanzieren, die gezielt neue Besucherkreise erschließen.

Happy Hour im Museum

„Outreach“ heißt eines dieser geplanten Projekte, bei dem ein Bus durch die Stadt fährt und potenzielle Museumsbesucher abholt. Auch die Eintrittspreise sollten „flexibilisiert“ werden. „Nicht erhöht“, betont er. Beispielsweise könne man eine „Happy hour“ einführen, mit kostenlosem Eintritt eine Stunde vor der Schließung. Oder eine Familienkarte, eine Seniorenermäßigung oder Rabatte. Für diesen Sommer war dem Wallraff-Richartz-Museum bereits mehr Selbstständigkeit versprochen worden. Blühm hofft jetzt, dass entscheidende Schritte in diese Richtung noch in diesem Jahr getan werden. Er sieht sein Haus als Vorreiter. Es könne den anderen großen Museen in Köln zeigen, wie unabhängige Museumsführung geht.

Klaus Schneider vom Völkerkundemuseum indes sagt dazu: „Klar will auch ich unabhängiger von Verwaltungsstrukturen sein. Aber eine veränderte Betriebsform ohne Budgeterhöhung lehne ich ab.“ Schließlich müsse er dann Verantwortung für Mangelzustände übernehmen, die er nicht abschaffen kann.

Also doch alles eine Frage des Geldes? Ja und nein. Die Direktoren der Kölner Museen leiden unter dem kommunalen Geldmangel wie jeder andere in der Stadt Verantwortliche auch. Doch sie zeigen einen ausgeprägten Optimismus und schwärmen für ihre fantastischen Sammlungen und das große Potenzial, das diese – theoretisch – bieten. Klaus Schneider: „Dass die Stadt Köln mit dem Neubau des Völkerkundemuseums ein so irres Projekt mit Kosten von fast 62 Millionen Euro riskiert, ist schon ein echtes Bekenntnis zur Kultur.“