HERMANN-JOSEF TENHAGENHAUSHALTSGELD
: Die Schläfer am Geldschalter

Wer Banken vergleichen will, muss auch die Zinssätze herausfinden, die sie nicht freiwillig öffentlich machen. Dafür gibt es Testkunden. Sie werden losgeschickt in die Filialen – und manchmal kommt dann die Polizei

Da hat eben die Polizei angerufen, ein Mann hat in einer Bankfiliale fotografiert und behauptet, er sei von der Stiftung Warentest.“ Ein bisschen unsicher war meine Kollegin doch, als sie den Hörer aufgelegt hatte. „Kann doch gar nicht sein?!“ Fotos aus einer Bank für die Stiftung Warentest?

Doch die Polizei hatte dieses Mal wirklich recht. Der Mann kam tatsächlich von uns. Wir haben das dann aufgeklärt.

Der Mann ist einer von tausenden Schläfern meines Kollegen Stephan Kühnlenz, die von Zeit zu Zeit aktiviert werden. Stephan ist der Cheftester für Finanztest und sorgt mit seinen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dafür, dass wir Bewertungen der Produkte und Dienstleistungen von Banken veröffentlichen.

Aber von Anfang an. Im Sommer dieses Jahres haben wir uns überlegt, nicht nur bei den üblichen 70 bis 100 Banken und Sparkassen die Dispo-Zinssätze für Gehalts- und Rentenkonten zu prüfen, sondern in die Breite zu gehen. Diesmal sollten rund 1.000 Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken verglichen werden. Immer wieder mal hatten Leserinnen und Leser angerufen und gesagt, dass die Zinssätze bei ihrer kleinen Hausbank deutlich höher lägen als bei den von uns genannten.

Stephans Truppe schrieb die Geldhäuser an mit einem entsprechenden Fragebogen, ging parallel ins Internet auf die Homepages der Institute und trug die Daten hunderter kleiner und großer Banken und Sparkassen zusammen. Anschließend bekamen die Bankiers jeweils einen Brief mit den von uns ermittelten Daten ihres Instituts mit der Bitte um kurze Bestätigung, um Tipp-, Druck- und Übertragungsfehler auszuschließen.

Etliche der kleinen Genossenschaftsbanken und Sparkassen gingen auf Tauchstation. Die Briefe wurden nicht beantwortet, die Dispozinssätze von den Homepages gelöscht. Das konnte so nicht durchgehen.

Für solche Fälle haben Stephan und seine Leute ihre Testpersonen. Bürgerinnen und Bürger in allen Teilen der Republik, die die Stiftung Warentest anschreiben und um einen Testkauf bitten kann, die aber gegenüber den Anbietern anonym bleiben. Ein solcher Testkunde sollte vor Ort die Zinssätze einer kleinen Volksbank herausfinden. Die müssen nämlich im Preisaushang jeder Filiale angegeben sein. „Aushändigen lassen oder notfalls einfach abfotografieren“, so die Bitte unserer Tester. Genau das – Fotografieren – hatte der Testkunde in der Filiale gemacht und damit die Bankangestellte nervös gemacht, zumal, so die Erklärung der Polizei, in der Region zuletzt öfter mal eine Bank überfallen worden sei.

Den Zinssatz haben wir herausgefunden, er lag über 14 Prozent. Die Volksbank gehört damit zu den teuersten in der Republik. Der Polizei und der Bank haben wir das mit dem Testkunden erklärt. Sie haben es verstanden. Und unser Testkunde konnte sogar anonym bleiben, steht also für weitere Einsätze zu Verfügung. Das ist gut so. Denn ohne Vergleich und Bewertung bleiben die Kunden die Dummen – nicht nur am Bankschalter.

Der Autor ist Chefredakteur von „Finanztest“ Foto: Karsten Thielker