Wo die Liebe hinfällt

Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte dem TV-Sender Euro D zum zehnjährigen Jubiläum und geriet dabei in eine außenpolitische Diskussion

AUS WALLDORF HEIDE PLATEN

Die Kanzlerin kam und nichts wurde wirklich gut. Artig posierte Angela Merkel am Mittwochabend für ein Familienfoto mit dem größten türkischen Medienzaren Aydin Dogan und dessen Gattin Sema Dogan im südhessischen Walldorf. Merkel war zum zehnjährigen Jubiläum des europaweit über Satellit und Pay-TV im Kabel empfangbaren, türkischen Fernsehsenders Euro D geladen.

Zu dem in der Türkei marktführenden Konzern der Dogan Yayin Holding gehören als Flaggschiffe die größten türkischen Tageszeitungen Hürriyet und Milliyet, zahlreiche Zeitschriften, fünf Fernsehsender, Film- und TV-Produktionsfirmen sowie die mittlerweile weltweit ausgestrahlten TV-Programme von Euro D und Eurostar. Sie senden vor allem Spielfilme, Serien und Unterhaltungsmagazine.

In der Halle der Druckerei, in der außer den türkischen auch internationale Medien wie die Financial Times und das Wallstreet-Journal produziert werden, schritt Merkel über einen roten Teppich zur Podiumsdiskussion. Trotz aller Herzlichkeit herrschte dann eher eine Vorwurfshaltung im Saal, auch das lockere Geplaudere des moderierenden Euro-D-Chefredakteurs Mehmet Ali Birand konnte sie nicht überspielen. Merkel war vor allem gekommen, um über die „Integration der Türken in Deutschland“ zu diskutieren. Sie verlangte von den Einwanderern vor allem das Erlernen der deutschen Sprache. Dass ihre Gesprächspartner gleich von Anfang fast ausschließlich am zweiten Teil der angekündigten Themen, „Die Türkei im Zusammenhang mit der EU“, interessiert waren, ging ihr unüberhörbar gegen den Strich.

Sie sei zwar, sagte sie, „wirklich eine Freundin der Türkei“. Weder sie noch ihre Partei hätten christliche Vorbehalte, sondern seien bereit zum wechselseitigen Lernen: „Wir wissen vom Islam ja auch so gut wie nichts.“ Aber dennoch sei sie eher für eine „privilegierte Partnerschaft“ des Landes mit der Europäischen Union (EU) als für eine Vollmitgliedschaft. Vor allem müsse das Problem des geteilten Zypern gelöst werden.

Dies hörten die Chefredakteure von Hürriyet, Ertugrul Özkök, und Milliyet, Sedat Ergin, nur ungern. Ihr Land, wiederholten sie stetig, sei einigungsbereit und habe doch mehr als genug getan, um sich als würdiger, gleichberechtigter Partner in die EU zu integrieren. Die Türkei aber, so Ergin, werde immer wieder „abgewiesen“. Die Schuld am Zypern-Konflikt liege eindeutig bei den griechischen Zyprioten: „Was soll denn der türkische Teil noch machen?“ Merkel reagierte kühl-pädagogisch. Es gehe nicht um die „Schuldfrage“. Die sei ihr „relativ egal“: „Ich denke, wir sind doch alle vernünftige Menschen.“ Dass die Einigung bisher „nicht geklappt“ habe, darüber könne man sich zwar „ärgern“, aber: „Die Sache muss in Ordnung gebracht werden.“ Inzwischen würden die Beitrittsverhandlungen intensiv weitergeführt. Und das brauche eben seine Zeit. Birdin versuchte sich in Ironie: „Nach zehn bis 15 Jahren sehen wir dann, wo wir angekommen sind?“

Die Frage aus dem Publikum, warum die Kanzlerin nicht mal auf „eine Tasse Tee“ in einer Moschee vorbeischaue, parierte Merkel auf Boulevard-Niveau. Sie nehme ihren Tee lieber „in meiner Döner-Ecke, weil ich so gerne Döner esse“. Das Fleischgericht sei zwar momentan ein wenig in Verruf geraten, sollte aber „nicht als Ganzes diskriminiert“ werden.

Hürriyet-Chef Özkök wollte am Ende des Events auch Persönliches wissen. Was sie tun würde, wenn ihre „Töchter oder Söhne“ türkischstämmige Partner heiraten wollten? Merkel, kinderlos: „Wo die Liebe hinfällt, da wird dann geheiratet!“ Das, so Euro-D-Chef Birand, sei gewiss „die Schlagzeile von morgen“.