Gau für Gentechniker

Der Skandal um manipulierten Reis macht die Biotech-Branche ratlos. Dennoch fordert sie mehr Freiheiten

FRANKFURT/M. taz ■ Der Skandal um den nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Langkornreis in den Regalen der Supermärkte von Aldi und Edeka kommt einem Gau für die grüne Gentechnologie gleich. Entsprechend ratlos gerierte sich gestern der Vorsitzende der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB), Bernward Garthoff, in Frankfurt auf der Jahrespressekonferenz der Branchenvertretung. Man habe doch immer sehr großen Wert darauf gelegt, dass gentechnisch veränderte Produkte nur geprüft und mit einer ordentlichen Zulassung und Kennzeichnung versehen auf den europäischen Markt gelangen. „Und jetzt das.“

Denn das Credo der grünen Biotechnologen, wonach der Verbraucher wegen der Kennzeichnungspflicht doch die Wahl zwischen gentechnisch veränderten und konventionell oder biodynamisch angebauten Pflanzen oder Inhaltsstoffen von Lebensmitteln habe, ist obsolet geworden. Noch nicht einmal der Betreiber der Reismühle wusste, dass ihm gentechnisch manipulierter Reis, für den die Bayer AG USA überhaupt keine Zulassung beantragt hatte, untergeschoben worden war. Deshalb gab es keinen Hinweis auf den Packungen.

Dass der Imageschaden groß ist und die Debatte über den nicht zugelassenen Genreis die Forderungen der Branche an die Politik nicht gerade befördern wird, bestritt der Lobbyist denn auch nicht: „Wir müssen und werden uns der Diskussion stellen.“ Garthoffs erster Beitrag dazu: Das Protein im Genreis sei durchaus in anderen Produkten zugelassen und dürfte deshalb eigentlich „kein Aufreger“ sein. Die Branche müsse aber sicherstellen, „dass zukünftig nicht zugelassene Produkte nicht mehr auf den Markt gelangen“.

In Baden-Württemberg war am Mittwoch erstmals in Deutschland der nicht zugelassene Reis LL601 aus den USA offiziell nachgewiesen worden. Die Lebensmittelüberwachung des Landes fand bislang Genreis in zwei Produkten. Nun würden Reisprodukte nahezu aller Handelsketten überprüft, teilte das Landesagrarministerium mit.

Eigentlich wollte Garthoff auf der Pressekonferenz die Bundesregierung zu einer schnelleren Gangart bei der Konzeption des avisierten neuen Gentechnikgesetztes bewegen und die Ansprüche der Branche anmelden. Sich für die pflanzenbiotechnologische Forschung allein stark zu machen und den Weg dafür frei zu räumen, reiche nicht mehr aus, sagte Garthoff. Wer nicht auch Produktion und Vertrieb zulasse, habe „von den grundlegenden wirtschaftlichen Zusammenhängen nichts verstanden“. Investitionen nämlich würden nur dorthin fließen, „wo die Märkte sind“. In den USA würden zum Beispiel bereits auf knapp 50 Millionen Hektar Land gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut, vor allem Mais und Baumwolle. In Deutschland sind es ganze 950 Hektar mit Erbsen, Kartoffeln und Sommergerste. „Verschlafen“ würde Deutschland so auch seine Energiezukunft, wetterte Garthoff. Denn aus Mais etwa lasse sich besonders effizient Bioethanol gewinnen.

Von den vom DIB Catering servierten Häppchen kratzten einige Kollegen dann übrigens die Paprikastreifen, Orangenscheiben und halben Oliven herunter. Man weiß ja nie … Schließlich greift auch die Kennzeichnungspflicht beim belegten Canapé nicht.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT