Ukrainischer Milliardär vor der Auslieferung

ÖSTERREICH Gegen den vergangene Woche in Wien verhafteten Dmytro Firtasch liegt ein US-Haftbefehl wegen Bestechung vor

Firtasch galt als Sponsor des geflüchteten Präsidenten Wiktor Janukowitsch

AUS WIEN RALF LEONHARD

Dmytro Firtasch wird nicht in einer Gefängniszelle abwarten müssen, ob ihn Österreich ausliefert. Der ukrainische Oligarch will eine Kaution von 125 Millionen Euro stellen, die ihm, zumindest vorläufig, die Freiheit bringt. Die Auslieferung hat ein Bundesgericht in Chicago beantragt. Der Haftbefehl, mit dem die Polizei vergangene Woche in Firtaschs Wiener Büro vorstellig wurde, wirft dem Geschäftsmann Bestechung und Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung vor.

Die Holding Group DF ist die Drehscheibe für die Geschäfte des Oligarchen. In Österreich liege gegen den 48-jährigen Milliardär nichts vor. Seine Festnahme stehe auch nicht in Zusammenhang mit den Ereignissen in der Ukraine, versicherte das Bundeskriminalamt. Über den Auslieferungsantrag war Dienstag in Wien noch nicht entschieden worden. Firtasch darf Wien nicht verlassen.

Dass die Festnahme in keinem Zusammenhang mit der Ukraine-Krise steht, ist nicht unbedingt glaubwürdig. Denn Firtasch, dessen Vermögen auf 2,4 Milliarden Euro geschätzt wird, galt als Sponsor des geflüchteten Präsidenten Wiktor Janukowitsch und Gegner der früheren Regierungschefin Julia Timoschenko. Sie hat Firtasch in den USA angezeigt. Allerdings sind die politischen Präferenzen das Oligarchen undurchsichtig. Zuletzt soll er die Oppositionsparteien von Witali Klitschko, Nationalistenführer Oleg Tjahnibok und Übergangspremier Arseni Jazenjuk sowie den „Euromaidan“ finanziert haben. Jazenjuk hatte nach der Verhaftung von Timoschenko seine Partei mit Timoschenkos Vaterlandspartei „Batkiwschtschyna“ fusioniert.

Firtasch war nach der Unabhängigkeit der Ukraine schnell reich geworden. Das dürfte er vor allem guten Beziehungen zu verdanken haben. Er kaufte Gas in Turkmenistan und schloss mit der Regierung in Kiew profitable Lieferverträge ab. Wie er zu seinem Startkapital kam, ist unklar. Bald gab es kaum einen Gas-Deal des ukrainischen Staates, der nicht über den Schreibtisch von Firtasch gelaufen wäre.

Niemand glaubt, dass eine acht Jahre zurückliegende Bestechung von indischen Geschäftspartnern der Grund der Verhaftung war. Ukrainische Journalisten mutmaßen, dass die USA über den Intimfeind von Timoschenko an Informationen über das Beziehungsgeflecht von ukrainischer und russischer Rohstoffoligarchie kommen wollen. Die Festnahme ihres Kollegen dürfte auch manchen russischen Oligarchen, die mehr Zeit im europäischen und amerikanischen Ausland als in ihrer Heimat verbringen, in Aufregung versetzen.

Firtasch hält die Aktienmehrheit an der ukrainischen Nadra-Bank. Sollte sein Imperium zusammenbrechen, dürfte das Vertrauen in viele der 186 ukrainischen Banken, die unter den Auflagen des Internationalen Währungsfonds stöhnen und zu Dutzenden von einer Schließung betroffen sind, weiter Schaden nehmen. Das ungewisse Schicksal von Dmytro Firtasch und die jüngste Äußerung des ukrainischen Innenministers Arsen Awakow, man verfüge über kompromittierendes Material von 50 ukrainischen Banken, macht Deals mit ukrainischen Banken heute zu Risikogeschäften.

Dass Firtasch die vergangenen Freitag festgesetzte Kaution bisher nicht bezahlt hat und es vorzieht, weiter im Gefängnis zu bleiben, dürfte weniger einem knappen Geldbeutel geschuldet sein. Beobachter in Kiew vermuten vielmehr einen anderen Beweggrund: Angst vor einem Mord. Firtasch, milliardenschwerer Partner von Gazprom, wisse zu viel. Und ein Leben in Freiheit könnte möglicherweise gefährlicher sein als hinter österreichischen Gittern.

Mitarbeit: Bernhard Clasen, Kiew