„Es droht Proletarisierung“

SOZIALES Der Soziologe Heinz Bude über die Spaltung der Stadt und Arbeit, die zum Leben nicht reicht

■ 60, Soziologe am Hamburger Institut für Sozialforschung und Mitglied der deutschen Gesellschaft für Soziologie.

taz: Herr Bude, Sie sprechen heute über die Zukunft von Ungleichheit. Wie sieht es denn in Hamburg mit der sozialen Benachteiligung aus?

Heinz Bude: Hamburg ist eine Dienstleistungsstadt und in diesem Bereich wird es immer schwieriger, von einem Vollzeitjob zu leben. Die Zahl dieser Gruppe liegt inzwischen bei 15 Prozent. Eine der Grundideen des Kapitalismus ist: Strengt man sich nur genug an, kann man sich auch was leisten. Für viele der hart Arbeitenden im Dienstleistungssektor gilt aber das schon längst nicht mehr. Die gehen mit 800 bis 1.000 Euro im Monat nach Hause und können sich die Nase an der Schaufensterscheibe plattdrücken.

Dieses Problem betrifft aber ganz Deutschland, oder?

Die Kluft zwischen oberer und unterer Mittelschicht, wird überall breiter. Durch expandierende Großunternehmen wie Amazon werden noch mehr Plätze im Dienstleistungssektor geschaffen. Uns steht eine Proletarisierung bevor. Aber gleichzeitig gibt es auch in den Akademikerhaushalten Veränderungen. Neben dem Wohlstand gibt es zunehmend auch solche, denen es grade noch gut geht.

Und wo steht Hamburg da?

Die Großstädte bringen hier Vorteile mit sich. Gerade Hamburg ist eine reiche Stadt, die viele Chancen bietet. Hier ist das Leben im Vergleich zu Berlin noch vergleichsweise billig. Im Augenblick ist Hamburg sicher eine der attraktivsten Großstädte. Gerade für die jüngere Generation, weil sich die Möglichkeiten der Ausbildung sehr verbessert haben.

Aber die Mieten steigen hier doch auch.

Das stimmt und in Hamburg wird wahrscheinlich auch der „München“-Effekt eintreten. Das heißt, die Menschen, die Vollzeit arbeiten, werden es sich schlichtweg nicht mehr leisten können, hier zu wohnen. Die Mieten und Lebenserhaltungskosten werden zu hoch sein. Das zieht einen Split in der Bevölkerung mit sich. Die obere Mittelschicht wird dominieren und die Pendler werden mehr.

Kann man gegensteuern?

Momentan hat Hamburg noch Unternehmen wie die Saga, die für einen gewissen Ausgleich sorgen. Die spannende Frage ist, wie lange das noch funktioniert.

Was glauben Sie denn?

Die nächsten zehn Jahre werden interessant, sie entscheiden, ob Hamburg eine gespaltene Stadt wird.  INTERVIEW: AMV

Podiumsdiskussion „Die Zukunft globaler Ungleichheit“ mit Heinz Bude und Anja Weiß (Universität Duisburg-Essen): 19 Uhr, Institut für Sozialforschung, Mittelweg 36