piwik no script img

Eine Geschichte mit viel Wind

PORTRÄT Dem Soundtrack seiner Kindheit, den Geräuschen von heißen und kalten Orten spürt Damian Rebgetz in seiner Soloperformance „Something for the fans“ im HAU nach

Eine der Geschichten von Damian Rebgetz handelt von seinem Weg in die deutsche Sprache

VON KATRIN BETTINA MÜLLER

Die Ohren. Sie sind ein äußerst wichtiges Organ für die Aufnahme von Theater. Nicht nur, weil es darum geht, Text zu verstehen. Sondern mehr noch, weil die Erzeugung von Orten, Stimmungen, Atmosphären oft akustisch beginnt. Jeder Regisseur und Schauspieler weiß das. Und doch ist der Klang des Theaters eine oft unterbelichtete und wenig beachtete Kategorie.

Nicht so bei Damian Rebgetz. Der Performer aus Australien ist Klangforscher. Wie beeinflusst der Sound unserer Umwelt unser Gefühl, zu Hause zu sein, ist eine der Fragen, die er sich in seiner Soloperformance „Something for the fans“ stellt. Dass man bei dem Wort „fans“ womöglich zuerst an die Fans von Popstars denkt und einen gewissen Glamourfaktor erwartet, bevor man als deutschsprachiger Zuschauer kapiert, dass Rebgetz von „fans“ im Sinne von Fächern und Ventilatoren redet, ist ein äußerst sinnvolles Missverständnis. Denn schließlich geht es bei Rebgetz, der sein Solo in einem vorsichtigen Deutsch performt, während sein Text zugleich gelegentlich in Englisch auf einer Leinwand erscheint, auch um ein Leben in mehreren Sprachen und ihren Einfluss auf die Wahrnehmung.

Auch im Gespräch im Café neben dem Theater am Halleschen Ufer balanciert er langsam durch seine deutschen Sätze, und grade deshalb folgt man seinen Worten aufmerksam. Eine der Geschichten von Damian Rebgetz handelt von seinem Weg in die deutsche Sprache und nach Berlin. Mit 19, 20 Jahren, da machte der 1978 Geborene noch seine Ausbildung zum klassischen Gesang am Conservatorim in Queensland, lernte er romantische Kunstlieder von Schubert und Schumann in Deutsch singen. Etwas später begeisterte er sich für Brecht und die Komponisten Kurt Weill und Paul Dessau, und dieses Interesse ließ ihn das erste Mal nach Berlin reisen. Er blieb für ein Jahr, vergaß Weill und Dessau bald für anderen heißen Scheiß.

Um als Schauspieler auf der Bühne zu stehen, schien ihm sein Deutsch zu schlecht. Aber er lernte trotzdem viel, in einem Workshop bei dem Schweizer Musik-Theater-Regisseur Ruedi Häusermann, als Zuschauer bei Performance-Gruppen wie She She Pop oder Gob Squad. Solch ein Theater, in dem der Darsteller auch Koautor sein kann, fand er in Australien nicht, als er wegen eines abgelaufenen Visums zurückkehren musste. Er wollte nach Berlin zurück und schaffte es. An der Universität der Künste machte er 2010 seinen Master in Sound Studies. „Das war Glück, das hat mein Leben verändert“, sagt er mehrmals, wenn er an diese Stationen zurückdenkt.

Inzwischen spielt der schlaksige junge Mann, der auch auf der Bühne mit dem Charme des Schüchternen und Verunsicherten besticht, mit dem Wechsel der Sprachen, Englisch und Deutsch, Schrift und gesprochene Sprache. „Something for the fans“ beruht auf einem schriftlichen Essay mit autobiografischen Zügen und ist permanent mit Übersetzungen beschäftigt: von Geräuschen in Sprache, von Erinnerungen in Gegenwart, von Bildern in Geschichten. So hat Damian Rebgetz aus der Notwendigkeit der Übersetzung im internationalisierten Kunstbetrieb zu einer eigenen und offenen Form gefunden. Dass in der Berliner Kunstszene fast jeder mit ihm, dem Australier, gleich englisch reden will und kaum einer deutsch, bedauert er im Übrigen ein bisschen.

Damian Rebgetz ist groß, aber er sieht in den kurzen Hosen und Socken, die er in seinem Solo auf der Bühne trägt, trotzdem oft wie ein linkischer Junge aus. Das passt, schließlich geht es auch um eine Spur zurück zu den Geräuschen der Kindheit, den Ventilatoren in einem heißen Land. Wenn Rebgetz dann aber aus kleinen und großen Ventilatoren Familien und Bands aufstellt, von ihrem Hauch Luftschlangen bewegen lässt, dann wohnt man auch einer Miniaturisierung von theatralen Ereignissen bei. Das Große und das Kleine tauschen ihre Plätze. Das ist ein angenehmer Umgang mit dem Anspruch von Bedeutung und Kunst.

Vor zwei Jahren begeisterte Rebgetz schon einmal mit einem Solo, es war Teil der Performance „Unendlicher Spaß“ zum Abschied von Matthias Lilienthal vom HAU. Rebgetz erzählte die Geschichte von Poor Tony Krause, eines armen Junkies, seinen kalten Entziehungstouren, seines Lebens im Müll. Der Erzähler aber war gekleidet wie ein Entertainer, ein glamouröser Verführer der Zuhörer, und er spielte die Episode irgendwann nach Mitternacht in einem Westernclub im Märkischen Viertel. Das war, inszeniert von Anna-Sophie Mahler, eine tragischkomische Glanznummer, in der sich die souveräne Geste des Entertainers und der drohende Verlust der Kontrolle des Junkies immer wieder aneinanderrieben, aber auch durchdrangen.

Aber ob er nun eigene Projekte macht oder in der Regie von anderen spielt: Es ist das Durchlassen von Unsicherheit, der Schritt zurück hinter sich selbst, der den Auftritten von Damian Rebgetz einen besonderen Charakter gibt.

■ „Something for the fans“, 20. – 23. März, HAU 3

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen