Mit Kalkül und Coolness

Kundenbindung und -gewinnung ist gerade für die Händler von fairen Waren ein wichtiges Thema: Mit gezielten Kampagnen, modernem Design und Marktanalysen werden neue Zielgruppen ins Visier genommen. Professionalisierung ist angesagt

VON TILMAN VON ROHDEN

Kunden sind die Besten, Verbraucher sind die Liebsten. Manchmal. Auf jeden Fall sind sie grausam. Tagtäglich stimmen sie mit ihren Börsen an der Theke ab. Sie kaufen hier – also nicht dort. Sie geben ihr Geld für ein bestimmtes Produkt aus – also lassen sie jenes links liegen. Sie entscheiden sich heute für faire Waren und kaufen morgen billigst beim verschrienen Discounter. Sie setzen mal auf Qualität und mal auf Ramsch. Sie gehen manchmal fremd und werden so der bevorzugten Marke untreu. Immer wieder, aber nicht immer öfter.

Kundenbindung und -gewinnung ist gerade für die Händler von fairen Waren ein Thema. Sei es, um aus der Nische rauszukommen oder das Image zu verändern. Gerade Letzteres ist für Weltläden wichtig, denn ihnen hängt immer noch ein wenig der Muff von Jute an, die zu ausgewählter Stunde einem kleinen Kreis Wissender exklusiv präsentiert wird. Solche Läden oder Aktionsgruppen gibt es auch heute noch, aber das Bild ist in den vergangenen Jahren vielfältiger und bunter geworden. Heute mischen genauso voll professionalisierte Läden mit, die mit Bilanzen genauso firm sind wie mit Marketingkonzepten. Jute bekommt man dort noch, aber von Lichtspots angemessen in Vitrinen in Szene gesetzt.

Der Weltladen Dachverband will mit seinem Programm „Weltladen 2006“ das Image der Läden modernisieren, aktuellen Bedürfnissen anpassen und neue Kundenkreise erschließen. Für jeden sichtbar ist dies am Design der beteiligten Weltläden. Sie warten mit Schmuckvitrinen, Lichtkonzepten und dezenten Regalen aus Glas auf, die das Produkt betonen. Die Farben Orange und Weiß, graues Metall, Glas und ein wenig helles Holz sollen ein freundliches Ambiente schaffen.

Ein modernisiertes Ladendesign ist jedoch nur ein Aspekt des Programms. Im Zentrum steht die Professionalisierung der Weltläden auf vielen Ebenen. Die Gewinnung neuer Käuferschichten ist das oberste Ziel. Dazu bietet der Weltladen Dachverband ein Bündel an Maßnahmen an. Zentral sei eine Standortanalyse. Sie gebe darüber Auskunft, ob ein bestimmter Laden Entwicklungspotenzial habe. „Das A und O ist das günstige Verhältnis von Mieter und Umsatz. 1a-Lagen sind nicht automatisch die besten Orte“, sagt Markus Frieauff, Leiter Marketing beim Dachverband. Um neue Kunden zu gewinnen, bietet er den Läden Prospekte, Plakate und andere Materialien an. Zur Bindung vorhandener Kunden existiert eine Zeitschrift, die in den Läden ausliegt.

Bisher haben 25 Läden ihr Design aufgemöbelt. Die Läden hätten mit den verschiedenen Maßnahmen durchweg gute Erfolge erzielt, so Frieauff. Die Umsatzzuwächse würden je nach Laden zwischen 30 und 90 Prozent betragen. Dass sich nicht mehr Läden beteiligt haben, führt Frieauff darauf zurück, dass die Implementierung des Programms viel Arbeit erfordere. „Viele Ehrenamtliche sind durch das Programm Profis im Kopf geworden. Es arbeitet in ihnen, nur die praktische Umsetzung fehlt noch.“

Das Programm „Weltladen 2006“ ist Bestandteil der Aufklärungskampagne „fair feels good“ und wurde in den vergangenen Jahren mit 100.000 bis 150.000 Euro im Jahr gefördert. Da die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung getragene Kampagne am Endes des Jahres ausläuft, endet dann auch „Weltladen 2006“. Frieauff nimmt das gelassen: „Jede Kampagne ist temporär, und diese hat ihren Zweck erfüllt. Der mediale Rückenwind für die Weltläden war gut.“ Er hoffe, dass das Ministerium in anderer Weise helfen werde. Schließlich sei der faire Handel ein wichtiger lokaler Faktor im Rahmen komplexer globaler Entwicklungen.

Vom Ende von „fair feels good“ unberührt sind vergleichbare Aktivitäten des Handelshauses Gepa. Es macht ebenfalls Angebote zur Professionalisierung. Acht Außendienstler beraten den Lebensmitteleinzelhandel bei der Produktpräsentation und füllen die geleerten Regale wieder auf. Sechs Mitarbeiter kümmern sich um Großverbraucher wie Firmenkantinen oder Krankenhäuser und beraten ebenfalls vor Ort. Die Weltläden werden von der Gepa über Regionalzentren betreut. Dort ist das Know-how für die Vermarktung konzentriert und abrufbereit. Die Leiter der Regionalzentren kommen auf Wunsch auch in den Laden vor Ort. Für die Weltläden, so Gepa-Vertriebsleiter Michael Klaiber, sei eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit und Kundenaufklärung am wichtigsten. „Kunden, die in Weltläden einkaufen, sind anspruchsvoll und gut informiert. Darauf müssen Weltläden aufsetzen“, sagt der Gepa-Experte. Dass es nicht einfach mit ein paar wohlfeilen Rezepten getan ist, zeige eine Befragung von Jugendlichen, die im Allgemeinen als schwer erreichbar gelten. Anders als zu erwarten, bevorzugten Jugendliche kein möglichst poppiges Design auf Bravo-Niveau, sondern eines, das dem Vorurteil nach eher junge Erwachsene anspricht.