Referendum im Schmugglerparadies

Die Bevölkerung im international nicht anerkannten Transnistrien stimmt am Sonntag über die Unabhängigkeit ab. Europäische Union und Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa wollen das Ergebnis ignorieren

BERLIN taz ■ Dieser Tage wird die Bevölkerung Transnistriens mit Propaganda regelrecht bombardiert. Aus gutem Grund: Am kommenden Sonntag sollen die rund 550.000 Einwohner der abtrünnigen und international nicht anerkannten Transnistrischen Moldauischen Republik (PMR) in einem Referendum über die Unabhängigkeit von Moldau und die spätere Möglichkeit eines Beitritts zur Russischen Föderation abstimmen. So jedenfalls will es der autoritäre Staatspräsident Igor Smirnow, der den Zwergstaat mit seinem Clan schon seit vierzehn Jahren fest im Griff hat.

Im Zuge der Auflösung der Sowjetunion erklärte sich 1991 auch die Republik Moldau für unabhängig und führte Rumänisch wieder als Staatssprache ein. Im russischsprachigen Transnistrien, das im Westen an Moldau und im Osten an die Ukraine grenzt, ging bald die Angst vor einem Zusammenschluss Moldaus mit dem benachbarten Rumänien um. 1992, nach der Unabhängigkeitserklärung Transnistriens, kam es zu einem bewaffneten Konflikt mit rund 1.000 Toten, in dem sich die ehemalige 14. Sowjetische Armee an die Seite der Separatisten stellte. In der Folgezeit setzten Smirnow und Co. den Aufbau einer autonomen „Sowjetrepublik“ zügig um – mit Fahne und Wappen, eigener Währung sowie einem Mobilfunknetz, mit dem ausschließlich in Transnistrien telefoniert werden kann. Jahrelange Verhandlungen mit Beteiligung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) über eine Lösung des Konflikts erbrachten bislang keine greifbaren Ergebnisse. Allen internationalen Verpflichtungen zum Trotz, seine Truppen abzuziehen, hat Moskau bis heute rund 2.000 Soldaten in Transnistrien stationiert. Über die Menge dort gelagerter Waffen und Munition gibt es derzeit nur vage Schätzungen, jedoch tauchten in der Vergangenheit wiederholt Berichte auf, wonach Militärgüter aus Transnistrien in andere Konfliktgebiete geliefert worden sein sollen.

Doch nicht nur als Waffenumschlagplatz ist Transnistrien berühmt und berüchtigt. Auch vor dem Handel mit Menschen und Drogen machen die Machthaber in Tiraspol nicht Halt. Seit einigen Monaten nun versucht die moldauische Regierung in Chisinau, unterstützt von der Ukraine, diesem Treiben Einhalt zu gebieten – durch verschärfte Zollkontrollen transnistrischer Warenexporte sowie besonderen Posten an der Grenze zur Ukraine. Die Reaktion Moskaus, das ohnehin seine Republiken am liebsten sofort wieder eingemeinden würde, war bezeichnend: So wurde umgehend ein Importstopp über moldauischen Wein verhängt – aus Qualitätsgründen wie es in der offiziellen Begründung hieß.

Das Referendum dürfte für Moskau ein weiterer Hebel sein, um Moldaus westorientiertem kommunistischem Staatspräsidenten Wladimir Woronin zu zeigen, wo Hammer und Sichel hängen. Bereits im vergangenen Mai hatte Russlands Außenminister Sergei Lawrow gesagt, dass Transnistrien und das von Georgien abtrünnige Abchasien russische Gebiete seien, die aus Russland herausgerissen worden seien.

Die Agentur Moldpress dieser Tage von doch etwas eigensinnigen Methoden, das Volk zum Urnengang zu bewegen. So sei Leuten mit Entlassung gedroht worden, sollten sie nicht abstimmen. Agitatoren hämmerten den Transnistriern ein, sie erhielten einen besonderen russischen Pass, mit dem sie höhere Renten und humanitäre Hilfe erhielten sowie Gas und Strom zu verbilligten Preisen. Die transnistrische Wahlkommission lässt fast täglich über die gleichgeschalteten Medien verbreiten, dass „alles dafür getan wird, dass jeder seine Wahl bewusst und frei treffen kann“.

Die OSZE und die Europäische Union haben bereits angekündigt, die Ergebnisse des Referendums nicht anerkennen zu wollen. BARBARA OERTEL