Muslimische IT-Girls

INTEGRATION Es gibt sie nicht, die Muslima, sie ist wie alle Frauen

El Masrars Strategie: Stigmatisierungen der Mehrheitsgesellschaft annehmen, um sie zu entlarven

Integration heißt das schon nicht mehr ganz so frische Zauberwort, mit dem sich derzeit Hinterbänkler, Lokalpolitiker und Wahlkämpfer profilieren wollen. Auch dem verhinderten Bundespräsidenten Joachim Gauck fiel zum 3. Oktober nichts Abgedroscheneres ein, als daran zu appellieren, Deutschland solle auch an solche Menschen Forderungen stellen, die am Rande der Gesellschaft stehen.

Die Autorin Sineb El Masrar hat nun ein Buch vorgelegt, das in gewisser Weise auf das Palaver von Integration und Anpassung und auf die damit einhergehenden rassistischen Vorurteile gegen Muslime in Deutschland reagiert. Als „Muslim Girls“ betitelt sie ihre Schrift und als „Muslim Girls“ bezeichnet sie all jene Frauen in Deutschland, die – ob konvertiert oder als Kind muslimischer Eltern geboren – in irgendeiner Art und Weise mit dieser Religion in Verbindung gebracht werden. El Masrar ist Teilnehmerin der Deutschen Islam Konferenz und war in der Arbeitsgruppe „Medien und Integration“ der Integrationskonferenz 2006. In ihrem Buch schildert sie Kindheit, Jugend, Privat- und Berufsleben der Muslim Girls, das sich von dem anderer Frauen im Wesentlichen nur dadurch unterscheidet, dass viele Kinder den Eltern beim Ausfüllen von Formularen behilflich sein müssen und sie statt Gott Allah sagen.

Muslim Girls als Gruppe gäbe es nur in den Köpfen von Menschen, die in festen Kategorien denken, sagt El Masrar. Sie selbst habe diese Kategorie nur erfunden, damit sie als grober Unsinn wieder verworfen werden kann und „Sie uns nach der Lektüre dieses Buches endlich als Individuen in die freie Welt entlassen.“ Es ist nicht überraschend, dass El Masrar dann von reinlichen Hausfrauen, braungebrannten Touristinnen, internetsüchtigen Bloggerinnen und erfolgreichen Designerinnen erzählt, von streng Gläubigen und von Atheistinnen, von High-Potential-Muslim Girls, Natural Muslim Girls oder Muslim-IT-Girls.

Und es ist auch nicht überraschend, dass sich viele von ihnen in einer Art Selbstbehauptungsstrategie als Muslima bezeichnen, obwohl sie nicht einmal beten: „Ich bin Muslima, und das ist auch gut so.“ Im Kern setzt El Masrar also auf die Strategie, Stigmatisierungen der Mehrheitsgesellschaft anzunehmen, um sie als falsche Pauschalitäten zu entlarven und die Anerkennung als gleichwertige Bürger zu erreichen. Das Buch dürfte ideenlose Politiker kaum davon abbringen, ihr Profil weiter mit dem Feindbild integrationsunwilliger Muslime aufzupolieren.DORIS AKRAP

Sineb El Masrar: „Muslim Girls. Wer wir sind, wie wir leben“. Eichborn Verlag, Frankfurt a.M. 2010, 206 Seiten, 14,95 Euro