ZWISCHEN DEN RILLEN
: Arbeit mit der Natur

Hundreds: „Aftermath“ (Sinnbus/Rough Trade)

Die kalte Jahreszeit ist fast überstanden, der Frühjahrsputz steht an. Das eine oder andere Werk, das einen treu durch dunkle Wintertage begleitet hat, wird dabei nach hinten ins Regal gerückt. Dafür ist vorne Platz für Neues. Laue Luft verlangt nach Klängen, zu denen die Krokusse noch schöner aufblühen. „Aftermath“, das zweite Album des Hamburger Duos Hundreds, bestehend aus dem Geschwisterpaar Eva und Philipp Milner, wäre so ein Kandidat.

Wer aber ihr Debütalbum kennt und nun beim zweiten eine bloße Fortführung des reduzierten Elektropop-Sounds erwartet, wird überrascht sein. Die Klarheit und Eingängigkeit ihres Debüts haben die Hundreds auf „Aftermath“ gegen experimentierfreudige und organische Klänge eingetauscht.

Entfalten und erinnern

Der Titelsong „Aftermath“ steht auch am Beginn des Albums und fährt gleich die ganze Palette des neuen Sounds auf. Mit klarer Stimme zu minimalistischem Klanghintergrund leitet Eva Milner den Song, der von der Erinnerung an eine Kindheitsfreundschaft handelt, ein: „At the dead end of our steet / There are still our shadows / Our former selves.“ Allmählich knüpft sich daraus ein Klangteppich aus melodischen und rhythmischen Elementen. Mit dem Entfalten der Erinnerung, von der Milner singt, entwickelt sich auch der Song, um am Ende im genauen Gegenteil seines leisen, reduzierten Anfangs zu enden: in einer wuchtigen Klangexplosion.

„Beim Entstehungsprozess haben wir uns oft gefragt: Ist das eigentlich noch Hundreds?,“ sagt Eva Milner. „Es war, als würden wir noch einmal von vorne anfangen.“ Vier Jahre sind seit dem Debüt der Band vergangen, es bescherte ihnen internationale Erfolge. Nach Jahren des Tourens hatten sich die Geschwister von konzentriertem, gemeinsamem Musikmachen entfernt. Die nötige Ruhe für die Arbeit an neuen Stücken fanden die beiden schließlich in einem Haus auf dem Land, vor den Toren Hamburgs. In der Einöde mussten sie musikalisch erst einmal wieder zueinander finden. „Manchmal haben wir fünf Tage um eine einzige Bassdrum herum diskutiert“, erinnert sich Eva Milner.

Neben der Arbeit im Studio mussten sich die beiden auch um Haus und Hof kümmern. Diese intensive Arbeit mit der Natur hat deutliche Spuren auf dem neuen Album hinterlassen: „Aftermath“ wirkt erdiger, direkter, auch dramatischer als noch das Debüt. Einige Songs erschließen sich den Hörern erst beim wiederholtem Durchgang. Diese Hinwendung zu anspruchsvollen Kompositionen steht den beiden Musikern gut und bewahrt sie davor, in die allzu volle Schublade mit der Aufschrift „seichter Elektropop“ gesteckt zu werden.

Der Sound von „Aftermath“ hält viele Assoziationen bereit. Mal fühlt man sich beim Hören an Feist, dann wieder an The XX oder gar The Notwist erinnert. Mit The Notwist werden Hundreds oft in einem Atemzug genannt, wobei sich „Aftermath“ vom elektronischen Indie-„Weilheim-Sound“ entschieden wegbewegt. Man könnte denken, Hundreds hätten sich für „Aftermath“ eine Armada an Streichern, Gitarristen, Trompetern und Trommlern ins Boot geholt, wüsste man nicht, dass ihre Songs ausschließlich mit Laptop und Klavier entstehen.

Philipp Milner, studierter Musiker, tüftelt an den Sounds, Eva Milner liefert die Texte und und die eingängige, klare Stimme, die es versteht, an den richtigen Stellen Nachdruck zu verleihen. „Circus“, die erste Singleauskopplung des Albums, könnte als Bindeglied zwischen dem alten und den neuen Sound von Hundreds gelten, wenn man den eine solche Trennung machen wollte. Zu einer beschwingten, luftigen Melodie singt Milner: „Let me go /Go, go / I wanna dance to my bones, bones.“ Der Ohrwurm des Frühlings steht schon mal. Die Krokusse können kommen.

CARLA BAUM

■ Hundreds live: heute Berlin, „Heimathafen Neukölln“; 20. 3. Köln, Artheater; 21. 3. München, Kranhalle