Mehrwertsteuerreform auf die lange Bank geschoben

KOALITION Finanzminister Schäuble will das Projekt erst einmal auf Eis legen. Die FDP hält daran fest

BERLIN taz | Die geplante Reform der ermäßigten Mehrwertsteuersätze soll erst einmal auf Eis gelegt werden. Das berichtete am Dienstag die Stuttgarter Zeitung unter Hinweis auf Informationen aus Regierungskreisen. Finanzminister Schäuble habe sich dafür ausgesprochen, das Projekt nicht weiterzuverfolgen.

Die Meldung wollte man am Dienstag im Bundesfinanzministerium (BMF) allerdings nicht bestätigen. Dort verweist man auf andere Zuständigkeiten: „Es ist jetzt Sache des Koalitionsausschusses, über das weitere Vorgehen zu entscheiden“, sagte Ministeriumssprecher Tobias Romeis. Seit Ende September liegt dem Koalitionsausschuss ein im Auftrag des BMF erstelltes Gutachten vor. Darin kommen Forscher zu dem Schluss, dass ein ermäßigter Steuersatz von sieben Prozent nur noch für Lebensmittel „gerechtfertigt erscheint“.

Eine ganze Reihe von Dingen wie Lebensmittel, Bücher, Zeitschriften, aber auch Beförderung im öffentlichen Nahverkehr oder Kulturangebote werden aus sozialen Gründen nur mit 7 Prozent statt dem Regelsatz von 19 Prozent besteuert. Mit den Jahren wurden die Ausnahmen jedoch nicht nur immer zahlreicher und kurioser. Auch die sozialen Aspekte spielten eine immer geringere Rolle. So werden beispielsweise auch Pferde oder Garnelen mit dem ermäßigten Satz besteuert – Babywindeln jedoch nicht.

Aus Kreisen der Arbeitsgruppe Haushalt der FDP war am Dienstag zu hören, dass es beim Thema ermäßigte Mehrwertsteuersätze „weiterhin Handlungsbedarf“ gebe. Der Dschungel müsse gelichtet werden. Auch für Volker Wissing, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, steht „Systemstringenz“ als Ziel einer Reform an erster Stelle. Nur aus Gründen „sozialpolitischer Lenkungsziele“ seien ermäßigte Sätze noch legitim. Details müsste, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, eine Kommission erarbeiten. Die ist jedoch noch nicht eingesetzt.

Laut einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung würde eine Anhebung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze auf 19 Prozent vor allem mittlere und niedrige Einkommen sowie Arbeitslose und Rentner treffen. Die größte Zusatzbelastung hätten mit 85 Euro mehr im Monat Familien mit mittleren Einkommen zu tragen. EVA VÖLPEL