die taz vor 20 jahren zu den abschiebungen libanesischer flüchtlinge
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Angenommen, das Asylrecht würde ernsthaft und im Sinne der Mütter und Väter des Grundgesetzes angewendet: Die Lage von Flüchtlingen aus denjenigen Ländern, in denen das, was deutsche Gerichte als politische Verfolgung definieren, nicht zutrifft, bliebe ungeklärt.

Die taz hat ausreichende Belege darüber veröffentlicht, was libanesischen Flüchtlingen droht, wenn sie wegen „offensichtlich unzureichenden Fluchtgründen“ von deutschen Behörden in ihr Heimatland abgeschoben werden. Sie erwartet Entführung, Folter und Ermordung. Der Libanon ist dabei nur ein Beispiel von vielen – die salvadorianischen Todesschwadronen sind schließlich auch keine offiziellen Staatsorgane. Es ist offensichtlich: selbst bei konsequenter Anwendung des bestehenden Asylrechtes hätten Flüchtlinge aus diesen Ländern Pech gehabt. Die Forderung, das grundgesetzlich verankerte Asylrecht nicht anzutasten, ist daher nicht nur unverantwortlich defensiv, sondern auch falsch. Nicht um die Bewahrung, sondern um die Erweiterung und Anpassung dieses Grundrechtes an die aktuellen Entwicklungen in der sogenannten Dritten Welt muß es gehen.

Vorerst wird man jedoch daran arbeiten müssen, die Umgehung des Asylrechts durch die Abschiebepraxis zu verhindern. Dabei sind vor allem die Gerichte gefordert. Die vorgelegten Beweise über das Schicksal abgelehnter Asylbewerber sollten reichen für eine Anzeige gegen Innenminister Zimmermann. Da ist von der Generalstaatsanwaltschaft eine gehörige Portion Standhaftigkeit gefragt, besonders in Wahlkampfzeiten. Aber: Das Material für diese Ermittlungen ist da, ja, es reicht sogar noch für mehr. Also: Anklagen.

Axel Kintzinger, taz vom 18. 9. 1986