„Medusa wird Puffmutter“

KABARETT Die „Nagelritz-Odyssee“ überträgt Homer in maritime Reise-Mysterien der heutigen Zeit

■ 43, aus Gelsenkirchen, macht seit zwanzig Jahren maritimes Kabarett und erzählt Seemannsgarn.

taz: Herr Langer, wann haben Sie sich das letzte Mal selbst richtig verirrt?

Dirk Langer: Gestern im Baumarkt. Als Mann fragt man ja nicht gerne nach dem Weg. Da habe ich einige Runden gedreht.

Ist Nagelritz’ Odyssee eher komisch, mystisch oder maritim?

Ich werde keine Shantys singen, mache also nicht die übliche maritime Unterhaltung. Wenn ich mich an einen klassischen Stoff heranwage und in Nagelritz’ Welt übertrage, wird das Ganze sehr schnell komisch. Medusa wird Puffmutter und der Maschinist gibt das Orakel. Dennoch gerät man bei klassischen Stoffen schnell in eine gewisse Tiefe und stellt sich existenzielle Fragen.

Was ist das Unglaubliche an diesem Programm?

Es fängt ganz real mit der Rückreise dreier Männer von Singapur nach Hamburg an. Sie haben verschiedene Gründe, nach Hause zu kommen. Nagelritz fährt zur Beerdigung seines Großvaters, Hinnerk muss zur altersbedingten Musterung. Die Geschichte wird immer irrealer: Einer verwandelt sich zum Huhn, ein anderer zum Kind. Das ist ein schleichender Prozess, bis ich am Ende bei modernem Seemannsgarn lande.

Was reizt Sie an dem Spiel von Realität und Scheinwelt?

Bei diesem Programm wird ziemlich schnell klar, dass alles erstunken und erlogen ist, zumal man viele Motive aus der Odyssee kennt. Trotzdem fragen sich die Leute: Ist Dirk Langer tatsächlich zur See gefahren?

Geht es auch um Heimat?

Es geht in der Geschichte ums Nachhausekommen. Das hat aber weniger mit Heimat zu tun, als damit, innerlich mit etwas Frieden zu schließen. Wenn Hinnerk nicht zur Musterung will, ist das seine Angst vor dem Alter. Eine Besucherin sagte einmal: „Das ist ja meine Geschichte!“ Die Odyssee ist eine innerlich erlebte Reise und damit Aufhänger dafür, was uns beschäftigt.  INTERVIEW: KORNELIUS FRIZ

Samstag, 20 Uhr, Speicherbühne