Der Erfolg, der keiner ist

VORSCHLAG FÜR DEN O-PLATZ

Wie kann man bei so vielen Fragezeichen nur von einem politischen Erfolg sprechen?

Der Vorschlag des Senats an die protestierenden Flüchtlinge vom Oranienplatz macht viele ratlos und einige wütend. Individuelle Einzelfallprüfung, was soll das genau heißen? Wie vielen von den insgesamt 467 betroffenen Flüchtlingen würde so eine Prüfung überhaupt helfen? Und was passiert mit denen, die das Angebot ablehnen?

Sicher ist bisher nur: Am Dienstag unterzeichneten drei Flüchtlingsvertreter ein Papier, in dem Berlin sich verpflichtet, Unterkünfte und Einzelfallprüfungen für die aufgelisteten Flüchtlinge anzubieten – wenn diese zuvor für die Auflösung des Camps gesorgt haben.

Weil aber die Liste mit den 467 Namen derzeit aus Datenschutzgründen bei einem Notar liegt, haben noch nicht einmal die Behörden einen genauen Überblick darüber, wer von dem Angebot erreicht werden kann – und wer vermutlich leer ausgeht. Etwa weil sein Asylantrag bereits in einem anderen Bundesland abgelehnt wurde oder er aus Bayern hierherkam – das sich hartnäckig weigert, Flüchtlinge in die Zuständigkeit eines anderen Bundeslandes zu entlassen.

Auch der mangelnde Überblick aller Beteiligten ist ein Grund dafür, dass der als Paukenschlag präsentierte Vorschlag Kolats nun so viel öffentlichen Unmut hervorruft: Wie kann man bei so vielen Fragezeichen nur von einem politischen Erfolg sprechen?

Im Kleinen mögen die Unklarheiten sogar eine Chance sein. Caritas und Diakonie sprechen nun einzeln mit den Menschen und sehen, was sie – jenseits von pauschalen Gruppenlösungen – jedem von ihnen anbieten können. Das mag in manchen Fällen eine zentral gelegene Flüchtlingsunterkunft in Berlin anstelle eines Heims in Brandenburg sein. Das mag eine verlängerte Duldung sein, mit der Hoffnung auf Verstetigung. Das kann allerdings auch heißen: Zurück nach Bayern, Italien oder Nigeria.

Auf mehr als eine großzügige Auslegung bestehender Gesetze können die Flüchtlinge nicht hoffen. Das ist individuell betrachtet immerhin etwas. Für diejenigen aber, die für eine andere Flüchtlingspolitik kämpfen, ist es verdammt wenig. NINA APIN

Bericht und Interview SEITE 52