WALTRAUD SCHWAB GEMüSE IST MEINE WURST
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So eine Gemüsekiste ist eine Herausforderung. Alle zwei Wochen stellt der Bauer-Anarchist sie vor die Haustür. Es ist wie ein Geschenk aus der Natur, die so großzügig, so gebend, so ohne Arg ist. Einziger Haken: Im Winter, und sei er noch warm, kann sie nichts geben. Da zehren der Bauer und ich von dem, was vorher wuchs und was sich hält, also von Wurzeln, Rüben und Kohlköpfen. Und das sind eindeutig keine Auberginen, Tomaten und Artischocken.

Nun ist es so, dass sich dieses Jahr der Beginn des Ersten Weltkrieges zum hundertsten Mal jährt. Da ist es angebracht, ein Loblied auf Wurzeln, Rüben und Kohl zu singen, als wären es Auberginen, Tomaten und Artischocken. Denn wenn überhaupt etwas meine Urgroßeltern und Großeltern die Zeit damals hat überstehen lassen, dann diese erdigen Knollen. Ohne Urgroßeltern und Großeltern aber gäbe es mich nicht – und das wär auch schade.

Jetzt, wo Wurzeln, Rüben und Kohl in ihrer Bedeutung also gehoben sind auf ein geradezu existenzielles Niveau, bleibt nur noch die Frage: Was damit tun?

In der Kiste waren: 1 Flasche Apfelsaft (köstlich), 800 g Sellerie, 500 g Zwiebeln, 700 g Steckrüben, 700 g Karotten, 500 g Rotkohl, 2 kg Kartoffeln.

Nur den Rotkohl habe ich bisher verwendet. Da ich seit dem wurmigen Wirsing aus den letzten Kisten auf dem Grünen-Smoothie-Trip bin, dachte ich, was für wurmigen Wirsing geht, geht auch für Rotkohl. Verquirlt mit Honigmelonen, mauen Äpfeln und Salatblättern ein köstlich Getränk. Rot zwar, aber was soll’s. (Dazu gab’s feinste Pralinen, die mir die DB schickte als Entschuldigung, weil der Zug, in dem ich saß, stundenlange Verspätung hatte.) Die Wurzeln aber habe ich einer Freundin – sie ist Lebenskünstlerin – gebracht, die krank geworden ist. Weil Wurzeln Leben retten können.

Abwechselnd besprechen wir hier Würste und bedienen uns aus der winterlichen Gemüsekiste