Afghanistan-Einsatz löst Koalitions-Krach aus

Die beiden Koalitionspartner der polnischen Regierungspartei PiS lehnen eine Aufstockung des Truppenkontingents strikt ab. Die populistische Bauerpartei Samoobrona fordert den sofortigen Rücktritt des Verteidigungsministers

WARSCHAU taz ■ „Als die Sowjetunion in Afghanistan Krieg führte, musste Polen keine Truppen dorthin schicken!“, ärgert sich der polnische Vizepremier Roman Giertych. Seine ultrakatholische Polnische Familienliga (LPR) war vor drei Jahren ge- gen das polnische Bataillon im Irak. Heute sitzt die LPR in der Regierung, doch ihre Ideologie hat sich nicht geändert: Die Partei ist gegen polnische Militärmissionen im Ausland – und gegen die von der Regierung Mitte letzter Woche zugesagte Aufstockung des polnischen Afghanistancorps auf tausend Soldaten.

Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski von der rechtskonservativen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hatte am Mittwoch in Washington für Februar 2007 die Entsendung von mindestens 1.000 Soldaten nach Afghanistan zugesichert. Die Mission sei noch von der linken Vorgängerregierung eingefädelt worden, behauptete Sikorski am Montag.

Diese Erklärung beruhigte die Juniorregierungspartner der Kaczyński-Zwillinge nicht. Unterstützung bei ihrem Widerstand gegen weitere polnische Truppenkontingente hat die LPR auch vom zweiten Koalitionspartner der Kaczyński-Brüder, Andrzej Leppers populistischer Samoobrona, bekommen. Die tausend Soldaten seien wohl der Preis für die jüngste Fünfminuten-Bush-Audienz von Premier Jarosław Kaczyński in Washington gewesen, giftete Lepper. Kaczyńskis Landwirtschaftsminister und Vizeregierungschef Lepper kündigte an, am Montag im Sejm zwei Anträge gegen Sikorski und Auslandseinsätze der polnischen Armee einreichen zu wollen. Leppers Samoobrona fordert Premier Jarosław Kaczyński auf, Sikorski zu entlassen.

Damit schlittert die rechtspopulistische Koalition der Kaczyński-Zwillinge in ihre erste gefährliche Krise. Zumal sich am Montag Gerüchte bestätigt haben, wonach sich Lepper am Wochenende im westpolnischen Poznan (dt. Posen) heimlich mit dem Oppositionsführer Donald Tusk von der liberalen Bürgerplattform (PO) getroffen haben soll. Über den Inhalt der Gespräche wurde nichts bekannt.

Die Kaczyński-Zwillinge und ihre PiS sind bei ihren Gesetzesvorlagen auf die Unterstützung aller Abgeordneten von Samoobrona und LPR angewiesen. Dies macht die PiS erpressbar. So ist es Lepper und Giertych gelungen, im neuen Budget zusätzliche Mittel für die Bauern, neue Sozialausgaben und den patriotischen Unterricht zu erkämpfen. Ihre endgültige Zustimmung zum Budget 2007 könnten die beiden aber auch mit politischen Forderungen verknüpfen.

„Ich hoffe, die Samoobrona unternimmt nichts, was unsere Position in der Nato beeinträchtigen könnte“, meinte deshalb bereits sorgenvoll Verteidigungsminister Sikorski (PiS). Dem Treiben der Koalitionsparteien machtlos ausgeliefert sind die Kaczyńskis allerdings nicht. Umfragen zeigen, dass Samoobrona wie LPR bei Neuwahlen wegen der Fünfprozenthürde zittern müssten. Im Sejm geht deshalb das Gerücht, die PiS wolle einen Antrag auf Selbstauflösung des Parlaments einreichen. Würde dieser von der Opposition unterstützt, müssten die Polen Ende November erneut an die Urne. PAUL FLÜCKIGER