Schünemann: „Ich bin nicht inhuman“

FLÜCHTLINGE Mitglieder der niedersächsischen Härtefallkommission sind frustriert: Sie sehen ihre Arbeit vom Innenministerium torpediert

Humanitäre Gründe ins Zentrum zu rücken sei ein „frustrierendes Geschäft“, finden Mitglieder der Härtefallkommission

In einer emotionalen Debatte stand Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gestern im niedersächsischen Landtag Rede und Antwort über die Härtefallkommission, „Schünemanns ungeliebtes Kind“, wie die SPD-Fraktion sie in einer Dringlichen Anfrage nennt.

In der 2006 gegründeten Kommission brodelt es immer wieder. Vergangene Woche kündigte der frühere Hildesheimer Oberstadtdirektor Konrad Deufel (CDU), seine Mitarbeit auf. Zu den Gründen will er sich gegenüber der Presse nicht äußern. Aus Altersgründen sei Deufel jedoch nicht zurückgetreten, sagt sein Kollege Philipp Meyer, evangelischer Superintendent. „Herr Deufel war jemand, der sich wirklich für humanitäre Zwecke eingesetzt hat“, sagt Meyer.

Die Kommissionsmitglieder und das Innenministerium sind sich offenbar nicht einig über Fragen wie: Was ist ein Härtefall? Was sind humanitäre Gründe? „Meine Auffassung ist, dass die humanitären Gründe im Vordergrund stehen müssen“, sagt Herbert Schmalstieg (SPD), Ex-Oberbürgermeister von Hannover und Deufels Stellvertreter. Da gebe es jedoch auch andere Bewertungen, die die wirtschaftliche Integration in den Vordergrund stellten. Auch Gerrit Schulte vom Katholischen Büro, sagt: „Die humanitäre Frage sehen wir nicht hinreichend beachtet.“

SPD und Grüne in Niedersachsen werfen Innenminister Uwe Schünemann vor, die Entscheidungen der Härtefallkommission zu missachten und humanitäre Fragen Wirtschaftlichkeitserwägungen zu opfern. „Wir haben den Verdacht, dass der Innenminister die von der Kommission anerkannten Härtefälle durch die Hintertür wieder zu Geduldeten macht“, indem das Bleiberecht an neue Auflagen geknüpft werde, sagt Filiz Polat, migrationspolitische Sprecherin der Grünen. Außerdem will die Opposition die Geschäftsordnung der Härtefallkommission ändern: „Entscheidungen sollten in der Kommission künftig durch einfache Mehrheiten getroffen werden können, nicht mehr allein mit Zweidrittelmehrheiten“, sagt Silke Lesemann, integrationspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.

Gegen all diese „Unterstellungen“ wehrte sich Schünemann gestern vehement und wurde dabei auch laut: „Wirtschaftliche Interessen stehen nicht vor den humanitären, sondern sind gleichberechtigt“, sagte der Minister. Von 28 Ersuchen in diesem Jahr habe er 17 angenommen und zwei abgelehnt. Der Rest werde noch behandelt. Wie viele Menschen denn tatsächlich einen dauerhaften Aufenthalt erhalten haben, konnte Schünemann nicht sagen. Aufenthaltsgenehmigungen würden allerdings nicht sofort erteilt, sondern zunächst die gesetzlichen Auflagen geprüft. „Die Integrationsleistung muss nachgewiesen werden.“ Das könne zwei Jahre dauern. Schünemann kritisierte seinerseits die Grünen und die SPD, diese wollten den Eindrück erwecken, er sei „inhuman“. Am Ende bat er um Nachsicht für sein emotionales Auftreten.

Die anderen Kommissionsmitglieder wollen weiter kämpfen. „Wir müssen mindestens den Versuch machen, diese humanitären Gründe mehr in den Vordergrund zu rücken“, sagt Caritas-Chef Hans-Jürgen Marcus. Zurzeit sei dies jedoch ein „frustrierendes Geschäft“. „Das teilen wir mit Herrn Deufel“, so Marcus.HASMIK EPISKOPOSIAN