Coaching stellt die Stärken heraus

Wer im Beruf Kommunikationsdefizite entdeckt, Teamkonflikte scheut oder Prüfungsängste hat, sucht mit Hilfe von Coachings Wege aus dem Dilemma. Trainiert werden Selbstwahrnehmung, Personalführung und die Fähigkeit zum konstruktiven Dialog

VON LUTZ DEBUS

Ein Zahnarzt erzählt von seinem Problem. Bei komplizierten Behandlungen verzettelt sich der Dentist. Um dem Patienten die Angst vor der berüchtigten Wurzelfüllung zu nehmen, erklärt er diesem detailliert, was er gerade macht. Aus dem Menschen mit Zahnschmerzen wird binnen kurzer Zeit ein zitternder, ansonsten brettharter unbeweglicher Gegenstand.

Schon oft musste der Rat suchende Zahnarzt in solch einem Fall die Behandlung abbrechen. Mit Hilfe von Coaching sucht er inzwischen Wege aus dem Dilemma. Seiner Beraterin beschreibt er zunächst die Situation. Dann lernt der Facharzt für Zahnheilkunde etwas über die etwa 50 verschiedenen Ängste, die Menschen fähig sind zu empfinden. Er lernt etwas über die Sinneskanäle, über Strategien, jenen Ängsten zu begegnen und er lernt etwas über Herstellung von Kommunikation. Nicht jeder Patient, so leuchtet dem Arzt nach kurzem ein, benötige genaues Wissen um die Behandlung. Statt eines Redeschwalles, der mitunter auch vermitteln kann, dass der Arzt selbst in dem unsicher ist, was er gerade macht, kann ein einfühlsamer Blickkontakt, eine ruhige Stimmlage oder gar ein beruhigendes Poster an der Zimmerdecke Wunder wirken.

Besonders in der heutigen Zeit, so Heide Janowitz, Initiatorin des Trainernetzwerkes „Coaching for Competence“ aus Dortmund, sei es für Ärzte sehr wichtig, ihre Kunden zufrieden zu stellen. Durch die Veränderungen im Gesundheitsbereich sei es für eine Arztpraxis unumgänglich, konkurrenzfähig zu sein. Ein Emailleschild am Eingang reicht schon lang nicht mehr. Patientenacquise heißt das moderne Zauberwort. Deshalb nehmen immer mehr Mediziner ihre Dienste als Coach in Anspruch.

Aber in den Beratungsgesprächen werden nicht nur Probleme mit Patienten bearbeitet. Weder auf der Universität, noch im Leben wird Medizinstudenten vermittelt, wie der Umgang mit den Mitarbeiterinnen funktioniert. „Da rennt meine Sprechstundenhilfe immer mit so einer Flappe rum. Ich kann die doch nicht ansprechen, was los ist?“ fragt sich eine Ärztin. Doch, das könne sie, widerspricht Heide Janowitz. Wichtig sei natürlich, dies so zu tun, dass sich zwischen Arbeitgeberin und Angestellter eine konstruktive Kommunikation entwickeln kann. Viele Ärzte scheuen entweder Teamkonflikte oder benutzen die Verhaltensweisen alter Vorbilder. Doch die Modelle der Personalführung aus den 1950er Jahren scheitern heute.

Auch Manager aus der freien Wirtschaft nutzen vermehrt Coaching, um nicht zu versagen. Ein junger Mann hatte seiner Einschätzung zu Folge das Problem, sich nicht klar und deutlich ausdrücken zu können. Auch brauche er, so klagte er, mehr Selbstbewusstsein. Heide Janowitz war zunächst sehr irritiert. Der Mann drückte sich mit diesen beiden Sätzen klar und fühlbar selbstbewusst aus. Nach 90 Minuten Coaching wurde ihm dann aber deutlich, worin seine Problematik bestand. Dem Manager fehlte es an der Fähigkeit, sich selbst wahrzunehmen und einzuschätzen. „Statt den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr erkennen zu können, konnte er den Wald mit all seinen Bäumen sehen“, resümiert Heide Janowitz den Coachingprozess.

Natürlich führe Coaching nicht immer in der ersten oder zweiten Sitzung zum Erfolg, schränkt die Dortmunderin ein. Eine der verwendeten Methoden, das aus den USA stammende Neurolinguistische Programmieren (NLP) sei zwar durch spektaktuläre Erfolge bekannt geworden. Egal ob bei der Raucherentwöhnung oder bei der Karriereplanung, NLP gilt als hoch potentes Psychotherapeutikum. Trotzdem sei man als Coach kein Wunderheiler. Letztlich müssen die Klienten selbst ihren Lösungsweg erarbeiten. Und natürlich könne ein Coaching keine Therapie ersetzen. Eine junge Frau habe sie mal wegen ihrer Prüfungsangst um Hilfe gebeten. Eine Therapie wollte jene Jurastudentin nicht machen. Schließlich sei sie nicht krank. Statt über Defizite wollte sie mehr etwas über ihre Stärken wissen. Und da war die Jungakademikerin, so Heide Janowitz, beim Coaching genau an der richtigen Adresse. Schnell wurden Konzepte erarbeitet, die Prüfungssituation umzudeuten. Statt sich weiterhin bei der Inquisition zu wähnen, erwartete die Studentin bei dem bevorstehenden Examen ein Fachgespräch. Und tatsächlich, jene Prüfung bestand die angehende Juristin mit Bravour.

In anderen Fällen sei allerdings die Empfehlung, statt Coaching Psychotherapie in Anspruch zu nehmen, sehr sinnvoll. Viele KlientInnen leiden am Anfang eines Trainingsprozesses unter Niedergeschlagenheit. Schließlich begibt sich niemand ohne Leidensdruck in eine professionelle Beratungssituation. Ob diese emotionale Verstimmung der Beginn einer manifesten behandlungsbedürftigen Depression sei, müsse der Coach einschätzen können. Heide Janowitz hat auch deswegen eine Ausbildung als Heilpraktikerin für Psychotherapie absolviert.

Mit einigen KollegInnen bildet sie nun schon im dritten Jahr selbst Coaches aus. Zugangsvoraussetzung sei es, einfühlsam auf Menschen eingehen zu können, ohne ihnen vorgefertigte Antworten zu geben. „Man muss sich auch abgrenzen können“, erklärt die Trainerin der Trainer.

Die „Azubis“ kommen aus allen erdenklichen Berufen. Krankenschwestern, Sozialarbeiter, aber auch Architektinnen und Steuerberater besuchen ihre Fortbildung. Ein Studienabschluss sei nicht erforderlich. Natürlich benötige man ein gewisses Maß an Lebenserfahrung. Ein Coach, der jünger ist als 25 Jahre, sei undenkbar. Die Ausbildung sei sehr praxisorientiert. Mit dem Zertifikat, das man am Ende der Fortbildung erhält, könne man dann durchaus Geld verdienen. Heide Janowitz verlangt mittlerweile für eine Coachingstunde für private KlientInnen 90 Euro. In der freien Wirtschaft seien Stundenhonorare von 150 bis 400 Euro üblich. Ein Gerichtsurteil, das in der Coachingszene für Furore sorgte, erklärte, dass ein Stundenhonorar ab 2.000 Euro nicht seriös sei.