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Die Fernsehanstalt BBC richtet einen Blick ins Dickicht erstklassiger Fußball-Deals und entdeckt Erstaunliches

LONDON taz ■ Knut auf dem Berge, 41, ist eine Art freiberuflicher Fußballschaffender. Der gebürtige Nienburger hat für den nigerianischen Verband als Berater fungiert, die Nationalmannschaft des Karibikstaats Montserrat trainiert und für den FC Chelsea in der Scoutingabteilung gearbeitet. Im Dezember des vergangenen Jahres übernahm er seine bisher heikelste Mission: im Auftrag der BBC sollte der Weltenbummler korrupte Transfer-Geschäfte von Trainern und Spielerberatern in der Premier League entlarven.

Bewaffnet mit einer versteckter Kamera und einer falschen Geschichte – er gab sich als Spielerberater aus, der im Auftrag eines reichen Investors Kontakte knüpfen sollte – stieg Auf dem Berge in die Unterwelt des englischen Fußballs hinab. Das Ergebnis seiner Bemühungen wurde am Dienstagabend ausgestrahlt. „Undercover: Football’s Dirty Secrets“, Fußballs schmutzige Geheimnisse, hieß das Programm. Es schlägt hohe Wellen. Am unsaubersten geht es demnach bei den Bolton Wanderers zu. Drei Spielerberater gaben dem Undercover-Reporter gegenüber zu, Trainer Sam Allardyce bungs (Schmiergelder) für Transfers gezahlt zu haben. Allardyce’ Sohn Craig, der bis vor kurzem ebenfalls als Spielerberater tätig war, soll als Mittelsmann fungiert haben. Craig Allardyce erzählte Auf dem Berge, er habe für die Wechsel von Tal Ben Haim, Hidetoshi Nakata und Ali Al-Habis mitkassiert. Allardyce Junior war zum Zeitpunkt der Deals vom Verein bereits wegen früherer Bedenken als Geschäftspartner ausgeschlossen. Auf den Unterlagen taucht sein Name nicht auf.

Allardyce Senior, der im Mai ein Kandidat für den Posten des Nationaltrainers war, drohte rechtliche Schritte an. Trotz der klaren Indizien wird es schwierig werden, den beiden Allardyce’ Vergehen nachzuweisen. Die drei Agenten haben ihre Aussagen zurückgezogen. Noch glimpflicher kam Harry Redknapp davon. Der Trainer des FC Portsmouth ist für seine „Geschäftstüchtigkeit“ berüchtigt, BBC konnte ihm jedoch nichts nachweisen. Neben Allardyce war Redknapp der einzige Trainer, der in der Sendung namentlich erwähnt wurde.

Dass in der reichsten Liga der Welt seit vielen Jahren immer wieder erstaunlich viel Geld für viele mittelmäßige Spieler ausgegeben wird und dabei viele Beteiligte profitieren, ist nichts Neues. Es gibt sehr enge Verbindungen zwischen Trainern und Spieleragenturen. Wie in Bolton war auch bei Manchester United Sir Alex Fergusons Sohn Jason an mehreren Transfers beteiligt. Seit die BBC vor drei Jahren einen Blick auf diese Wechsel warf, boykottiert der Schotte alle Interviews mit dem Sender.

Der Verband und die Liga haben in der Vergangenheit gerne weggeschaut. Und die Medien hatten Angst vor Verleumdungsklagen. Erst als Luton-Town-Trainer Mike Newell im Januar offen gegen die weit verbreitete bung culture im Profifußball klagte, setzte die Premier League eine Untersuchungskommission ein. Ihre Ergebnisse werden am 2.Oktober erwartet. Die FA will nun ihrerseits alle in der Sendung geäußerten Vorwürfe aufklären. „Es ist wichtig für die Integrität des Spiels, dass wir uns der Sache annehmen“, sagte Verbandschef Brian Barwick.

Chelsea und Liverpool könnten dann auch Probleme bekommen. Der BBC-Bericht zeigte, wie beide Vereine verbotenerweise mit dem 15-jährigen Jugendspieler Nathan Porritt vom FC Middlesbrough verhandelten. Chelsea war im Frühjahr wegen der illegalen Kontaktaufnahme mit Arsenals Ashley Cole mit einer Strafe von umgerechnet 743.000 Euro belangt worden. Im Wiederholungsfall droht dem Meister ein Punkteabzug, doch dazu dürfte es wohl kaum kommen.

RAPHAEL HONIGSTEIN