Der Mitleidseffekt

Bei „Maischberger“ wurde NPD-Chef Udo Voigt erst ein-, dann wieder ausgeladen. Wie gehen andere Talkshows mit den rechten Politikern um?

VON STEFFEN GRIMBERG

Hätte es für den NPD-Vorsitzenden Udo Voigt besser laufen können? „NPD mit Deutschland-Pakt voran – ARD bekommt kalte Füße“, betitelte der seine „erste Wahlbetrachtung“ nach dem Einzug in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Betont aggressiver Umgang mit dem NPD-Spitzenkandidaten Udo Pastörs am Wahlabend bei ARD und ZDF (siehe taz von Dienstag), und dann noch Voigts Ausladung beim ARD-Talk „Menschen bei Maischberger“ zum Thema „Biedermänner oder Brandstifter – wie gefährlich sind die Rechten?“ am Dienstag. Da forderten die Sender „immer die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Zielen der NPD und kriegen dann das Zittern, wenn sie uns gegenüberstehen“, höhnte Voigt.

Wie aber umgehen mit den Repräsentanten in Braun? Die Voigt-Anfrage sei bei „Maischberger“ umstritten und bereits abgelehnt gewesen, sagt Redaktionsleiter Carsten Wiese vom zuständigen WDR. Erst der Wunsch von Sendungsgast Michel Friedman, sich öffentlich mit einem NPD-Vertreter auseinander zu setzen, habe „die Tür noch mal geöffnet“. Schlussendlich habe man sich aber dagegen entschieden: „Unser Format als Unterhaltungssendung ist nicht das Richtige“, so Wiese. Seiner Meinung nach „sollten wir über die NPD sprechen mit den Menschen, die sie gewählt haben – aber nicht mit den Parteioberen“.

Auch die politischeren Talkformate winken ab: „Bis jetzt haben wir nicht den Eindruck gehabt, dass sich diese Leute inhaltlich oder persönlich so geäußert haben, dass das etwas bringen würde“, sagt „Berlin Mitte“-Redaktionsleiter Wolfgang Klein. Wenn die NPD „mal im Bundestag sein sollte“, müsste man vielleicht noch mal darüber nachdenken. Beim ARD-Pendant „Sabine Christiansen“ sieht Redaktionsleiter Michael Cramer ebenfalls „keine Veranlassung, von denen kommt inhaltlich nichts“.

Doch trifft diese Haltung wirklich das Problem? Wenn die NPD-Vertreter im Fernsehen so behandelt würden wie am Wahlsonntag in der „Tagesschau“, gebe es „Mitleidseffekte“, sagt „Hart aber Fair“-Moderator Frank Plasberg: „Ich würde sie in unsere Sendung nicht einladen. Natürlich sagen Politiker nicht immer die Wahrheit, aber sie halten sich an gewisse Spielregeln.“ Wenn jemand diese Regeln „bewusst nicht einhält, sondern mit gezielter Demagogie unterläuft“, komme das Medium kaum dagegen an. „Fernsehen lebt von Wirkungspsychologie“, sagt Plasberg: „Es kann ja sein, dass ich inhaltlich durch ein Bombardement von Fakten gewinne. Trotzdem bleibt der Mitleidseffekt möglich.“ Gezeigt hat sich das schon oft: Bei Franz Schönhuber in Friedrich Küppersbuschs „Zak“ oder bei Erich Böhme, der 2000 an der Entzauberung Jörg Haiders (Foto) scheiterte.

Einmal war auch NPD-Chef Voigt schon Polittalk-Gast. 2004, nach den Wahlen in Sachsen, saß er mit SPD-Politiker Peter Glotz bei „Was erlauben Strunz“ (N24). Angespannt sei die Sendung gewesen, hieß es damals in den Kritiken, doch Claus Strunz habe Voigt mit Glotz’ Unterstützung und durch beharrliches Nachfragen und Ausredenlassen zumindest um den Mitleidseffekt gebracht. „Es kann journalistisch funktionieren“, sagt Strunz auch heute, mit intensiver Vorbereitung und im direkten Streitgespräch, „der einzigen Form, in der das geht“. Die Rechte sei kein „Randphänomen“ – wo Parteien wie die NPD und DVU „in drei Landesparlamenten sitzen, muss man sich damit auseinander setzen“, sagt der BamS-Chef, „auch ohne Bühne sind sie in Schwerin auf 7,3 Prozent gekommen“.

Plasberg dagegen würde eher „auf die ganz normale Behandlung setzen“, da sich die rechten Vertreter durch ihre tägliche Arbeit selbst desavouierten. Und gibt zur Frage „Wie in den Medien mit den Rechten umgehen?“ zu bedenken: „Zum jetzigen Zeitpunkt jazzen wir hier ein Journalistenthema hoch, von dem man lieber die Finger lassen sollte.“