Wahlkampf aus dem Geheimgefängnis

Vor einem Jahr wurde der Führer der Rebellen in Nigerias Ölgebieten, Mujahid Asari-Dokubo, verhaftet und wegen Hochverrats vor Gericht gestellt. Von der Todesstrafe bedroht, will er nun Gouverneur seiner Heimatprovinz werden

AUS PORT HARCOURT HAKEEM JIMO

Boma Dokubo sorgt sich um ihren Bruder. Gestern vor genau einem Jahr nahmen nigerianische Sicherheitskräfte Mujahid Asari-Dokubo in Gewahrsam. Dem einst mächtigsten Rebellenführer in Nigerias Ölfördergebieten, der 2004–2005 den Staat militärisch herausforderte und mit Abspaltung der Region drohte, wurde Hochverrat vorgeworfen; darauf steht in Nigeria die Todesstrafe. „Wir können nicht mit ihm telefonieren; nur seine Frau bekommt ihn manchmal zu sehen“, sagt seine Schwester, Boma Dokubo. Nicht einmal Briefe seien erlaubt, sagt die Mittdreißigerin. Und seit Anfang des Monats ist jeglicher Familienkontakt zu Asari-Dokubo untersagt. Er wurde verlegt, nur ein Arzt darf ihn gelegentlich besuchen. Seine Familie und Mitstreiter haben gehört, dass er in einem unterirdischen Gefängnis der Staatssicherheit (SSS) stecken soll.

Der 42-jährige Mujahid Asari-Dokubo wurde berühmt, als er die Freiwilligenarmee NDPVF (Niger Delta People’s Volunteer Force) im ölreichen Niger-Flussdelta aufbaute. Er gewann tausende von Jugendlichen, vor allem aus seinem eigenen Ijaw-Volk, für seinen Kampf gegen den ruinösen Erdölraubbau in Nigeria. Er zapfte Ölpipelines an, die die Mangrovensümpfe und Lebensräume der Menschen dort zerschneiden. Mit Hilfe selbst gebauter Raffinerien verkauften seine Mitstreiter Kerosin und Benzin an die gebeutelten Menschen im Nigerdelta. Oftmals sind deren Felder und Flüsse durch die Erdölförderung stark geschädigt. Und wegen der schlechten Infrastruktur kosten Kerosin und Benzin dort sogar mehr als im Rest Nigerias, obwohl das Öl von dort kommt.

In Port Harcourt, der Regionalhauptstadt des Bundesstaates Rivers, hat eine Plakatkampagne begonnen: „Asari-Dokubo zum Gouverneur!“ In T-Shirt und Béret posiert der Rebell dort für eine „Volksrettungsfront“ (People’s Salvation Front“) als politischer Arm der NPVDF. Es geht um viel: Gouverneure nigerianischer Bundesstaaten können strafrechtlich nicht verfolgt werden. Sollte Asari-Dokubo die Wahl nächstes Jahr gewinnen, müsste der Prozess gegen ihn unterbrochen werden. Schon einmal passierte das mit einem Senatskandidaten, der aus dem Gefängnis ins Oberhaus zog.

Aber es geht auch um viel Geld. Um in Nigeria ein Amt zu ergattern, muss man skrupellos und reich sein. Keine Karriere ist lukrativer als die Möglichkeit, Zugang zu öffentlichen Geldern zu finden. Nigerias Antikorruptionsbehörde EFCC rechnete kürzlich vor, dass die Hälfte des Vermögens im Land von den Gouverneuren der 36 Bundesstaaten kontrolliert werde. Seit Ende der Militärherrschaft 1999 hätten Funktionäre 100 Milliarden US-Dollar unterschlagen.

Boma Dokubo weist diese Verdächtigungen zurück. Ihr Bruder habe vorher schon Geld gehabt, sagt sie. Unabhängig davon wird Mujahid Asari-Dokubo in den unzugänglichen Sümpfen des Nigerdelta nach wie vor als Freiheitskämpfer gesehen. Seit seiner Verhaftung wird die Region schlimmer denn je von Gewalt heimgesucht. Eine Geiselindustrie ist entstanden, tonnenweise strömen Waffen in die Region.

Nicht nur Dokubos Mitstreiter, auch Lokaljournalisten oder Gemeindevertreter sagen immer öfter, dass Dokubo einer der wenigen sei, der das Chaos der Milizen im Niger-Delta wieder unter Kontrolle bringen könnte. Diese Popularität sei auch der Grund für die Regierung gewesen, den Vater zweier Kinder nun von der Außenwelt zu isolieren. Boma Dokubo: „Das Letzte, was wir von meinem Bruder gehört haben, ist, dass wir den Kampf nicht aufgeben sollen.“