Betteln gegen rechts

Alle Beratungsstellen gegen Nazis, die seit 2001 im Osten entstanden, stehen auf der Kippe – der Bund will nicht zahlen

VON ASTRID GEISLER

Endlich mal eine Nachricht, die gut klingt: Das Bundesfamilienministerium will das Geld für die Arbeit gegen Rechtsextremismus nicht kürzen. Dafür werde im kommenden Jahr aber ein noch „effektiveres“ Bundesprogramm starten, versprach Ursula von der Leyen am Tag der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern.

Doch auf den Applaus der Fachleute wartet die Ministerin noch. Kein Wunder: In dem neuen Programm ihres Hauses fehlen die wichtigsten Anlaufstellen in den ostdeutschen Bundesländern – Mobile Beratungsteams, Opferberatungs- und Netzwerkstellen. „Wir bekommen keine Förderung mehr“, sagt Dominique John, Koordinator der Opferberatungsstellen. Johns Kündigung ist inzwischen getippt. In einigen Tagen wird er sich arbeitslos melden. Und nicht nur er. Alle so genannten Strukturprojekte gegen rechts, die seit 2001 in Ostdeutschland aufgebaut wurden, stehen vor dem Aus.

Das Familienministerium begründet den Kahlschlag mit haushaltsrechtlichen Zwängen: Der Bund habe die Beratungsstellen vor fünf Jahren als Modellprojekte gefördert. Schon damals sei klar gewesen, dass er deren Arbeit nur bis 2006 unterstützen werde – schließlich sei im föderalen Staat eine Dauerfinanzierung solcher Initiativen durch den Bund nicht erlaubt.

Aus Sicht des Familienministeriums ist das Aus der Beratungsstellen kein Drama. Schließlich werde es von Januar an genauso viel Geld für „bessere neuere Strukturen“ geben. Konkret sollen künftig die Kommunen selbst Geld für lokale Aktionspläne gegen rechts beantragen. Überregional tätige Beratungsstellen sieht das Konzept nicht mehr vor. Dies könne dramatische Folgen haben, warnte gestern auch der Generalsekretär des Zentralrat der Juden, Stephan Kramer. Er forderte, das Geld für die Beratungsstellen müsse im Gegenteil dauerhaft aufgestockt werden.

Der Landkreis Ostvorpommern zeigt exemplarisch, wieso es heikel sein könnte, die Verantwortung künftig allein in die Hände der Lokalpolitiker zu legen. In mehreren Gemeinden im Anklamer Umland hatte die NPD schon bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst Rekordergebnisse erzielt, am Wochenende wurde sie mit Ergebnissen jenseits der 30-Prozent-Marke erstmals in der deutschen Geschichte die stärkste politische Kraft. Die erste Analyse des für das Präventionsprogramm des Kreises zuständigen Vize-Landrats der CDU, Armin Schönfelder, am Wahlabend: „Das ist ein vorübergehendes Problem.“ Erfahrungsgemäß seien unter den NPD-Wählern viele junge Männer, so Schönfelder zu taz: „Man kann also hoffen, dass sich das auswächst, wenn die Frau und Kinder haben.“

Viele Bürgermeister in der Region halten die Warnungen vor einem wachsenden Einfluss der Rechtsextremen für überzogen. Die NPD sei schließlich eine „Partei wie jede andere“, sagt der Bürgermeister von Bargischow (31 Prozent NPD). Bargischow stellt der militanten Kameradschaftsjugend aus der Region einen leerstehenden Jugendclub am Ortsrand zur Verfügung. Bürgermeister Norbert Mielke aus Postlow (38 Prozent NPD) sagte am Wahlwochenende: „Mich muss hier keiner aufklären.“ Schließlich gebe es keine rechtsextreme Szene im Ort.

Die Aussicht, bald ohne professionelle Beratungsstellen im Land dazustehen, beunruhigt sogar die Schweriner CDU-Fraktion. Mitte August sandte Fraktionschef Armin Jäger einen Hilferuf an Kanzlerin Angela Merkel, sie möge die „kompetenten“ Mobilen Beratungsteams retten: „Wir halten deren Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern auch in der Zukunft für unerlässlich und wünschen uns, dass der Bund hier auch künftig seinen finanziellen Beitrag leistet.“

Gebracht hat es wenig. Angesichts des Wahlerfolgs der NPD stellte die Bundesregierung den Projekten zwar eine Gnadenfrist bis Juni in Aussicht. Opferberater John beruhigt das nicht. Damit wolle von der Leyen nur den „Druck“ aus der Diskussion neben, vermutet er – in der Hoffnung, dass sich in einigen Monaten niemand mehr für das Thema interessiere.