DIE KIEZPATIN SPRICHT
: Die Superlative meines Wochenendes

VON JENNI ZYLKA

Das in meinen Augen LUSTIGSTE entdeckte ich am Samstag auf der Kundentoilette bei Karstadt am Hermannplatz, nämlich einen über dem Personalstuhl hängenden Cartoon, auf dem eine Klofrau vor einem Schild mit „Wir im Internet: www.scheisse.de“ sitzt. Ein akuter Kicherkrampf ließ mich bis zur Spezialitätentheke nicht aus den Klauen.

Der Comic, der übrigens vom großen Karikaturisten Nel stammt, toppt fast meinen bisherigen Lieblingstoilettencomic von Michael Sowa. Da öffnet eine dicke Dame die Damentoilettentür, und ein Papagei, der in einem Vogelkäfig daneben sitzt, sagt „Pups!“. Schön, wenn man sich den Pennälerhumor bewahrt hat! Und die dazugehörige Blase.

Das PEINLICHSTE des Wochenendes ereilte mich am späten Freitagabend, als ich nach langem und perfidem Anfixen angeblicher FreundInnen dann doch die Quizduell-App heruntergeladen hatte und bereits in der U-Bahn nach Hause damit anfangen musste. Dabei mache ich normalerweise immer auf schockiert, wenn ich Erwachsenen dabei zuschauen muss, wie sie Handyspiele spielen. Ich werde mich einfach weiter in der Kunst üben, das Handy hinter alt aussehenden Büchern zu verstecken, so wie Grace Kelly in „Das Fenster zum Hof“ ihr Modemagazin hinter einer Ausgabe des Life-Magazins versteckt, damit James Stewart nicht etwa denkt, sie sei oberflächlich.

Das COOLSTE war, mal wieder, die Bühnenkleidung von King Khan, der am Dienstag mit den Shrines im Lido spielte. Dienstag gehört zwar bei Licht betrachtet nicht wirklich zum Wochenende, aber da ich nach Khans Azteken-Federkopfschmuck und seinen Säbelzahntigerzahnketten bis Sonntagabend (counting!) nichts Cooleres in Verbindung mit R’n’B entdecken konnte, außer eventuell einen echt coolen Ring mit einer in Gießharz eingelassenen kleinen Kakerlake, den ich auf dem Marheinekeplatz-Flohmarkt fand, muss Khan gelten.

Das LECKERSTE waren Hartweizengriesklumpen mit Bottarga, was, wie ich lernen durfte, auf Sardisch die Rogen der Großkopfmeeräsche bezeichnet, alles in allem jedenfalls enorm schmackhaft. Allerdings würde ich mich auch hüten, etwas anderes zu behaupten, schließlich ist mir der alte Krimi „Stirb auf Sardinien!“ noch gut in Erinnerung, in dem die sardische Mafia an der Costa Smeralda eine schöne Frau entführt und – nach heutigem Kurs – ungefähr 200 Euro Lösegeld haben will.

In jenem sardischen Restaurant begegnete mir jedenfalls auch das DENKWÜRDIGSTE des Wochenendes: die Geschichten, die ein Freund von seiner Suburbanisierung erzählte. Sie handelten von Tieren (Mücken, Fliegen, Spinnen), hatten mit Einsamkeit und sozialer Verarmung zu tun und wurden im Laufe des Abends immer trauriger, weil der Freund noch am Abend mit dem Auto zurück aufs Land wollte und darum noch nicht einmal den sardischen Wein mittrinken konnte. Ich dagegen winkte mir spätnachts lustig schielend ein Taxi und fuhr in acht Minuten in meinen Stadtteil zurück, wo sich keine Mücken hintrauen, weil sie Angst vor den Straßengangs haben, und wo einem Montagmorgens, wenn man die Kinder zur Schule schiebt, im Treppenhaus junge Menschen begegnen, die gerade von der WG-Party im vierten Stock kommen.

Mich werden nämlich keine zehn Pferde und auch keine zehn Metrobusse oder Metrotrams zur Stadtflucht bewegen, ich werde hierbleiben, selbst wenn der letzte Baum gerodet, die letzte Großkopfmeeräsche ihrer Eier beraubt und der letzte Spielsalon gentrifiziert ist. Ich werde die älteste Bewohnerin des Viertels, die Kiezpatin, um die sich großäugig junge AmerikanerInnen scharen, und werde ihnen von der Zeit erzählen, als das Bier noch zwei fuffzig kostete.